Wenn man nicht wüsste, das am 22. Januar 1957 im Alter von 72 Jahren Claire Waldoff in Bad Reichenhall verstorben ist, hätte man am 26. Januar 2025 im BKA – Berliner Kabarett Anstalt- im Mehringdamm 34 in
Berlin-Kreuzberg denken können, die unvergessene Künstlerin ist aus ihrem Grabe wiederauferstanden. Zutrauen könnte man es der in Gelsenkirchen geborenen taffen Tochter eines ehemaligen Bergmanns und Schankwirts ja.
Das man mehrfach hinsehen und hinhören musste, ob denn wirklich nicht die 1884 geborene Klara Wortmann, wie Claire Waldoff ursprünglich hieß, auf der Bühne das Publikum begeistert, lag an Sigrid Grajek. Die Künstlerin ist auch als Comedy-Figur „Coco Lorès“ bekannt. Mit großem Schwung und ungezähmter Leidenschaft brachte sie den einstigen Star Claire Waldoff auf den Brettern der großen Kabaretts und Varietés Berlins jetzt in der BKA in Kreuzberg zu einem neuen Höhenflug. Von 1907 bis 1935 redete und sang die Dame aus dem Kohlenpott, wie ihr der Schnabel gewachsen war. In der Aufführung „Sigrid Grajek: Claire Waldoff – Ich will aber gerade vom Leben singen…“ waren Gassenhauer zu hören wie „Man ist nur einmal jung“, „Mein Yoyo“, „Hannelore“, „Der grüne Aal“ und „Das war sein Milljöh“. Die Liebe kommt auch nicht zu kurz: Das 1917 von Franz Schmidt-Hagen komponierte Lied „In Tegel gibt’s lockere Vögel“ stellt das ja unter Beweis. Dort teilte uns Sigrid Grajek u. a. mit: „Wer noch nie in Tegel hat geküsst, wess gar nich, watt Liebe is“. Eine schöne Frau, die aber seit vielen Jahrzehnten spurlos verschwunden ist, kam auch zur Sprache. Nach dem Text von Kurt Tucholsky aus dem Jahre 1929 kam die „Berolina“ zur Geltung. Am Piano durfte man am 26. Januar Stefanie Rediske erleben.
Im Publikum traf man ein bekanntes Schauspielerehepaar an. Die Diplom-Schauspielerin und Theater-Pädagogin Ilona Knobbe und Jürgen Hilbrecht waren ebenfalls Zuschauer in Kreuzberg. Den Schauspieler Jürgen Hilbrecht kennt man u. a. aus seiner Paraderolle als „Hauptmann von Cöpenick“. Im einzigen Spielfilm aus der DDR, der eine Oscar-Nominierung erhalten hatte, wirkte Jürgen Hilbrecht auch mit. Es handelt sich dabei um den 1974 gedrehten Spielfilm „Jakob der Lügner“. Er sagte im Pressegespräch: „Vor über 30Jahren habe ich die Kollegin Sigrid Grajek kennengelernt. Man muss es so ausdrücken: Sie hat sich ganz herausragend entwickelt. Meine Hochachtung vor den Leistungen der Kollegin!“. Ilona Knobbe teilte mit: „Kollegin Sigrid Grajek hat es wunderbar verstanden, die Claire Waldoff nicht einfach nur nachzumachen. Sie hat uns heute ihre eigene Interpretation dargebracht. Das Publikum ist begeistert gewesen davon. Kollegin Sigrid Grajek hat es auch geschafft, Parallelen von der Zeit der Claire Waldoff in unsere heutige Zeit zu ziehen“.
Die vom Schauspielerehepaar Ilona Knobbe und Jürgen Hilbrecht so hochgelobte Sigrid Grajek sagte: „Das zwei so namhafte Kollegen heute Abend hier zu Besuch sind, ehrt mich. Solche Besuche sind auch immer hilfreich. Wir sind Künstler, wir leben von der Kunst, wir leben für die Kunst. Kultur ist unser Auftrag, Kultur ist unser zweiter Herzschlag. Wir Künstler befruchten uns gegenseitig. Der Ruf Berlins ist schon immer mit dem Begriff Kultur verbunden gewesen“.
„Sigrid Grajek: Claire Waldoff – Ich will aber gerade vom Leben singen…“ kann man am Sonntag, 9.2. um 15 Uhr wieder erleben.
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Text: Volker Neef
Foto: BiWe