Das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf legten am 9.11. zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in der Reichspogromnacht von 1938 sowie der Vernichtung des tschechischen Dorfes Lidice 1942 Kränze nieder.
Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) begrüßte Jan Kubišta, Konsul der Tschechischen Botschaft in Berlin, sowie als Vertreter der Bundeswehr den Kommandeur Landeskommando Berlin, Oberst Horst Busch.
Die Bürgermeisterin erinnerte an die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938: „Gebetsräume wurden angezündet, jüdische Friedhöfe geschändet, Wohnungen und Geschäfte verwüstet, jüdische Mitbürger wurden auf offener Straße attackiert, verschleppt und inhaftiert. In dieser Nacht wurde die systematische Vernichtung der Juden im damaligen deutschen Reich eingeleitet, die knapp drei Jahre später im Holocaust mündete.“ Sie erinnerte an die Worte von Charlotte Knobloch. Sie kam 1932 in München zur Welt und ist seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Von 2006 bis 2010 war Charlotte Knobloch Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland. In ihren Erinnerungen über den 9.11.1938 hielt sie fest: „Ich war nicht überrascht über die Gewalt. Als die Trümmer von den Synagogen und jüdischen Geschäften und Wohnhäusern herabstürzten, kam Beifall auf. Es war die Nacht der Erbarmungslosigkeit. Wir Juden hatten unser Existenzrecht verloren“.
Die Bezirksbürgermeisterin betonte, die Angst vor Übergriffen gehöre auch im heutigen Berlin leider wieder zum Alltag von Jüdinnen und Juden. „Kaum jemand wagt sich noch, mit einer Kippa auf dem Kopfin der Öffentlichkeit zu zeigen. Es heißt, viele jüdische Mitbürger säßen angeblich schon auf gepackten Notfallkoffern. Wie beschämend für unser Berlin – fast 80 Jahre nach dem Ende des Holocausts, der in dieser Stadt geplant wurde!“
Das Bezirksamt und sie persönlich als Bezirksbürgermeisterin treten für einen interreligiösen Dialog ein und für den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft: „So treffen sich zweimal jährlich alle Religionsgemeinschaften bei uns im Rathaus. Wir arbeiten für 2025 an einem gemeinsamen Fest der Religionen. Wir sind überzeugt: Nur wo Zuhören möglich ist und Gespräche geführt werden können, entstehen Brücken des Verstehens.“
Emine Demirbüken-Weger würdigte zugleich die Glücksmomente des 9. Novembers vor 35 Jahren: „Mit der Erinnerung an den Fall der Berliner Mauer spannen wir heute den Bogen von den Emotionen der Freude über die gewonnene Freiheit hin zu dem Deutschland von heute – wiedervereint, demokratisch, frei.“
Schülerin Neva Friesch vom Europäischen Gymnasium Bertha von Suttner berichtete danach bewegend über ihre Teilnahme an der vom Arbeitskreis Politische Bildung organisierten Jugendreise nach Lidice. In diesem böhmischen Dorf nahmen die Nazis 1942 Rache für das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich und töteten mehr als 300 Menschen. Zum Gedenken an die Opfer wurden am Rosenbeet für Lidice Blumen niedergelegt.
Aus Respekt vor den Ermordeten hat die damalige CSSR-Regierung das Dorf Lidice an der Originalstelle nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut. Das heutige Dorf Lidice befindet sich in der Nähe des ursprünglichen Dorfes. An alter Stelle trifft man immer noch Mauerreste. Kleinen Kindern haben die Nazis großes Leid angetan! Man entriss sie, so sie arisch ausgesehen hatten, ihren leiblichen Eltern und gab sie zur Zwangsadoption an Hitlertreue Elternpaare frei. Diese Kinder durften ihre biologischen Eltern nie kennenlernen. Die nicht zur Adoption freigegebenen Kinder von Lidice wurden 1942 von Nazis ermordet.
Text/Foto: Volker Neef