Milchmarkt 2023 mit erneut überdurchschnittlichen Preisen
Peter Stahl ist Vorsitzender des Milchindustrie-Verbandes.
Sein Verband lud am 23. Januar in Berlin-Mitte zu einer Pressekonferenz ein. Dort teilte Peter Stahl mit: „Politische Wunschvorstellungen und die Realität auf dem Markt klaffen auseinander, denn die Verbraucher wollen günstige Lebensmittel. Marken und Programme mit Zusatznutzen haben es weiterhin schwer, Handelsmarken sind die heimlichen Gewinner. Die Verbraucher versuchen ihre Haushaltskosten zu minimieren, das ist in Zeiten von Inflation und drohenden Nachforderungen bei den Heizkosten auch verständlich. Politische Forderungen an die Milchbranche passen allerdings nicht mit dieser Zahlungsbereitschaft zusammen. Wir sind mit rund vier Prozent Biomilch-Anteil am Markt weit entfernt von den 30 Prozent, die das Landwirtschaftsministerium bis 2030 fordert. Das ist schade, aber Realität.“
Der Vorsitzende konnte auch berichten, in Bezug auf die extremen Preisausschläge im Vorjahr hat sich die Lage am Milchmarkt 2023 ein Stück weit normalisiert. Preise für Milchprodukte gaben im Vergleich zu ihren historischen Höchstmarken vom Frühjahr 2022 durchweg nach. Die Preise blieben im langfristigen Vergleich aber in den meisten Segmenten überdurchschnittlich. Die Milchanlieferung stieg wieder leicht an, nachdem sie zwei Jahre in Folge gesunken war. Verglichen mit dem Allzeitrekord des Vorjahres sanken die Milcherzeugerpreise deutlich, erreichten mit rund 45,5 Cent je Kilogramm aber ihren historisch zweithöchsten Wert.
Peter Stahl erklärte ferner: „Auch mit Blick auf 2024 erwarten wir stabile Ergebnisse und vergleichsweise hohe Preise. Gleichzeitig zeigen die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit, dass bei Prognosen Vorsicht geboten ist. Bei aktuell vergleichsweise niedrigen globalen Beständen erwarten wir, dass sich die Nachfrage stabil bis fest entwickelt und ein steigender Absatz in wichtigen Importregionen die Preise stützt“.
Für diese Jahr erwartet der Peter Stahl beim Milchpreis eine vier vor dem Komma. Das ist ein gutes Signal für die Branche, wenn auch die Rahmenbedingungen nur schwer abzuschätzen sind. Es bedarf insbesondere niedrigerer Energiepreise in Deutschland, denn sonst verliert der Sektor seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Kostenseite bereitet dem Verband Sorgen. Alles ist teuer. Das fängt beim Rohstoff an und geht weiter bis zu den Zutaten wie Zucker oder Früchten. Die Gewerkschaften übertreffen sich derzeit mit unrealistischen Lohnforderungen zur Tarifrunde 2024. „Das Geld muss aber zunächst einmal verdient werden, während hohe Kosten die Molkereien belasten“, stellt Peter Stahl fest. Der Vorsitzende betonte auch, den Fachkräftemangel habe man immer auf dem Schirm. Momentan sind alle Molkereien aber in der Lage, ohne Einschränkungen zu produzieren. „Wir werden weiterhin dafür werben, dass eine Ausbildung, eine Tätigkeit in einer Molkerei sehr attraktiv sind. Stetig verbessern wir auch die Arbeitsbedingungen, damit uns, gerade junge Menschen, als interessanten Arbeitgeber betrachten“.
Eine Absage erteilt der Verband den politischen Plänen des Landwirtschaftsministeriums zum Eingriff in die Lieferbeziehungen zwischen Molkerei und Milcherzeuger. „Der Staat sollte sich da raushalten“, ist sich der Vorsitzende des Verbandes sicher. „Wir haben bewiesen, dass wir mehr zahlen als Molkereien in anderen EU-Ländern mit vergleichbaren Regelungen, solange das der Markt ermöglicht. Von der Anwendung des Artikel 148 hat hierzulande niemand etwas. Dadurch kann man die Entwicklungen auf den Weltmärkten nicht aushebeln, der Wirtschaftsstandort Deutschland ist keine Insel“, erläutert der Verbandsvorsitzende.
Bei der längerfristigen Entwicklung der Milchmengen ist der Verbandschef nach dem Zuwachs des Vorjahres (+0,9 %) nicht sehr optimistisch: „Der Strukturwandel geht weiter und die staatlichen Auflagen werden immer höher. Das schafft Frust auf den Höfen und erschwert häufig die Hofnachfolge. Gerade das Thema Tierwohl stellt viele Betriebe vor große Aufgaben, wobei der Investitionswille bei steigenden Kosten und Zinsen abnimmt.“ Auch auf europäischer Ebene und weltweit hat es trotz des zuletzt hohen Preisniveaus keine Explosion der Milchmengen gegeben, derzeit sieht es eher nach einer moderaten Entwicklung aus.
Das Exportgeschäft hat sich letztes Jahr wieder verbessert. Die deutsche Milchwirtschaft hat in den ersten zehn Monaten des ablaufenden Jahres mehr Milchprodukte exportiert als im Vorjahreszeitraum. In den meisten Produktsegmenten konnten Zuwächse festgestellt werden. Die in Milchäquivalenten besonders bedeutenden Käseexporte sind um 6,4 Prozent bzw. rund 71.000 t auf 1,183 Mio. t gestiegen. „Wir haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie überwunden, bleiben aber im harten internationalen Wettbewerb“, stellt der Vorsitzende Peter Stahl fest.
Der Markt für alternative Proteinquellen kühlt ab. Die Steigerungsraten im Verbrauch gehen zurück und die Mengen bleiben insbesondere bei käseähnlichen Produkten nischenklein. Derzeit laufen in Brüssel die ersten Zulassungsverfahren für „Labmilk“, also der Milch aus der Petrischale. Peter Stahl wirft einen Blick in die Zukunft: „Diese Produkte können dann natürlich nicht ‚Milch‘ heißen. Wir sind gespannt, wie sich die Akzeptanz der europäischen Verbraucher gegenüber ‚Novel Food‘ gestalten wird.“
Text: Volker Neef
Foto: Frank Pfuhl