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Milchbranche leidet 

(Foto: Frank Pfuhl)

Milchbranche leidet 

Schwierige Rahmenbedingungen und steigende Kosten

Der Milchindustrie-Verband e.V. (MIV) repräsentiert rund 80 leistungsstarke private, genossenschaftliche und multinationale Unternehmen der deutschen Milch- und Molkereiwirtschaft. Mit rund 28,5 Milliarden Euro Jahresumsatz
ist die Milchindustrie der größte Bereich der deutschen Ernährungsbranche.

Kürzlich tagte er in Berlin-Charlottenburg. Große Probleme muss die deutsche Milchindustrie lösen. Da ist zum einen der Krieg in der Ukraine. Die Auswirkungen auf die Märkte stellen die Verarbeiter und Produzenten von Milch und Milchprodukten vor enorme Herausforderungen, sowohl auf der Kostenseite der Produktion von Lebensmitteln als auch generell in der Verfügbarkeit von Rohstoffen und Betriebsmitteln.

Peter Stahl (Foto:Volker Neef)

Ein besonderes Augenmerk trifft aktuell die Energie und Gasversorgung. Die Verarbeitung, Haltbarmachung und Lagerung von Milch und Milchprodukten als wertvolles Lebensmittel für die Bevölkerung benötigt Energie. Die Milchverarbeiter haben in den vergangenen Jahren vermehrt auf moderne Technik und Gas als Energieträger gesetzt, aufgrund von Änderungen in der Umweltgesetzgebung, Beratung und Wirtschaftlichkeit. Der Rückbau auf Basis Öl zur Wärme- und Energiebereitstellung oder auch von alternativen regenerativen Energiequellen ist nicht überall möglich, so dass die Molkereien unbedingt Planungssicherheit bei der Gasbereitstellung benötigen. Molkereien gehören zu den Unternehmen der systemrelevanten Infrastruktur. Mit Spannung wartet der Verband daher auf endgültige Entscheidungen der Politik hinsichtlich Verfügbarkeit und Energiebeihilfen. Die hohen Energiepreise in Deutschland benachteiligen die Hersteller von Lebensmitteln bereits jetzt im harten Wettbewerb gegenüber anderen Ländern in der EU oder Übersee. Sicher ist jedoch, wenn kein Gas mehr fließt, kann die Wertschöpfungskette Milch in Deutschland vom Erzeuger bis zur Versorgungssicherheit Richtung Verbraucher nicht mehr flächendeckend aufrechterhalten werden. Die Wertschöpfungskette Milch lässt sich nicht einfach ab- und wieder anschalten.

Auch die Versorgung mit Betriebsmitteln bereitet Sorgen: Bestimmte Betriebsmittel wie z. B. CO2 oder AdBlue als Koppelprodukte stehen nicht immer im benötigten Umfang zur Verfügung, teils bedingt durch massive Produktionseinschränkung von Düngemitteln aufgrund wirtschaftlich nicht darstellbarer Energiekosten. Zudem fehlen Transportkapazitäten u. a. in Folge des Fahrermangels. Für den Fall einer Mangellage bei Energie muss daher der Blick auf politischer Ebene auch auf Bereiche außerhalb der eigentlichen Herstellung von Lebensmitteln erweitert und Situationen unverschuldeter Notlage einbezogen werden. So werden Verpackungen benötigt, damit Lebensmittel auch die Verbraucher erreichen können. Doch belaufen sich die Lieferzeiten für neue Verpackungen auf mehrere Monate, so dass sich in Zeiten stockender Lieferketten besondere Herausforderungen bei der Deklaration ergeben können.

Die deutschen Milchverarbeiter sind mittelständisch geprägt und bieten 39.000 Mitarbeitern und ihren Familien ein sicheres Einkommen, vielfach im ländlichen Raum. Politik muss daher unabhängig von Parteigrenzen kluge und weitsichtige Entscheidungen treffen, um Beschäftigung und Wohlstand am Wirtschaftsstandort Deutschland zu erhalten.

Es kommt auch hinzu, dass manche Zeitgenossen den hohen Stellenwert der Milch nicht erkennen wollen. In den 50er Jahren hieß es noch „Milch macht müde Männer munter“. Heute gibt es beispielsweise SchulleiterInnen und ElternvertreterInnen (so die neue Schreibweise!) die den Verkauf von Schulmilch erfolgreich verhindert haben. Milchmischgetränke, die vor 30, 40 Jahren noch beliebt waren wie Erdbeer-, Vanille- oder beispielsweise Bananenmilch, gelten bei einigen Zeitgenossen als Dickmacher, weil leicht zuckerhaltig. Übereifrige Tierschützer denken, dass Landwirte nichts anders zu tun haben als ihre Milchkühe tagein und tagaus zu quälen. Dabei werden die den Landwirten und ihren Familien anvertrauten Kühe mit Respekt behandelt. Die Tiere sichern das Einkommen der Familie und eine Kuh gibt nun mal nur gute und ausreichende Milch, wenn sie ausreichend gefüttert und gemolken wird. Die Kuh muss an 365 Tagen im Jahr umsorgt und gepflegt werden. Notfalls muss der Landwirt auch am Heiligen Abend einen diensthaben Tierarzt kommen lassen, weil ein Tier vor Schmerzen laut schreit.

Andere Zeitgenossen wiederum haben Produkte aus Hafer, Soja und ähnliches für sich entdeckt und meinen, mit diesen Drinks die Milch ablösen zu können. 

Anlässlich der Jahrestagung in Berlin berichtete der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes, Peter Stahl, von einem sehr volatilen Milchmarkt. Ukrainekrieg sowie Pandemie hinterlassen Spuren nicht nur beim Milchpreis. Verbraucherpreise wie auch Rohmilchpreise für die Erzeuger erreichen mittlerweile Rekordniveau.

Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen ändern sich gerade. Die Gemeinsame Agrarpolitik GAP 2023 startet verspätet am 1. Januar 2023 mit Folgen auch für die Milcherzeuger. Regelungen zum Anbau der Felder werden verschärft, die Direktmittel aus Brüssel neu verteilt und Nachhaltigkeit rückt weiter in den Fokus. Der Aufwand für Erzeuger und für die Bürokratie steigt.

Rund 55.000 Milcherzeuger in Deutschland plus Lieferungen aus dem benachbarten Ausland haben die Molkereien zuverlässig mit fast 33 Mio. Tonnen Rohstoff im Jahr 2021 versorgt. Im laufenden Jahr gehen die Milchanlieferungen aber spürbar zurück. Immer mehr Auflagen und hohe Kosten machen den Milcherzeugern das Leben schwer. Zusätzliche Anforderungen an Tierwohl werden insbesondere regional für einen nochmal verstärkten Strukturwandel sorgen, prognostiziert der Verband.

Deutschland bietet aktuell seinen Milcherzeugern mit teils über 60 Cent je Kilogramm Rohmilch die höchsten Milchpreise in der EU. Der Abstand zum Nachbarn Frankreich beläuft sich z. B. auf fast 10 Cent! Der durchschnittliche Milchpreis wird für 2022 über 50 Cent je Kilogramm betragen nach rund 36 Cent im vergangenen Jahr. Die Milchpreisrallye ist aber noch nicht zu Ende. Gerade in Süddeutschland herrscht großer Wettbewerb um den Rohstoff.

Der Pro-Kopf-Verbrauch 2021 entwickelte sich je nach Produktgruppe unterschiedlich. Bei Konsummilch ging die Menge in den letzten Jahren um zehn Prozent zurück, während der Käsekonsum um sieben Prozent zunahm – dies führte zu einer Rekordproduktion von 2,67 Mio. Tonnen Käse in 2021. Bei Butter wiederum erhöhte sich der Absatz leicht – trotz gestiegener Preise. Die „vegane Welle“ spürt insbesondere der Konsummilchmarkt: Hafergetränke und Co erreichen derzeit einen Anteil von fast zehn Prozent der Verbrauchsmenge der Originalmilch. Margarine verliert Absatzmengen und kann nicht von der veganen Welle profitieren.

Die Absatzentwicklung der Milchprodukte ist rückläufig. Dennoch fehlen in Deutschland Rohmilchmengen und Milchinhaltsstoffe im Vergleich zu den Vorjahren zur Herstellung der verschiedenen Milchprodukte. Auf die deutschen Verbraucher können daher weitere Preissteigerungen zukommen. Die Käseproduktion ist weiter auf hohem Niveau und stärkt u. a. damit den Umsatz der Branche. Der Umsatz lag 2021 in der Gesamtheit bei 28,5 Mrd. Euro und im Trend gehen für dieses Jahr die Zahlen preisbedingt um ca. zehn Prozent weiter nach oben. Allerdings sind die Kosten der Verarbeitung deutlich stärker gestiegen, wobei insbesondere die hohen Lohnforderungen und steigende Preise im Einkauf bei Energie derzeit Sorgen bereiten.

Die Ausfuhr von Milchprodukten ist ein wesentliches Standbein der gesamten Branche. Das Preisniveau hat sich international gegenüber den letzten Jahren deutlich nach oben bewegt und stützt den hiesigen Markt. EU-Ware erzielt mit die höchsten Preise und steht dadurch zunehmend in einem starken internationalen Wettbewerb. Schwindende Kaufkraft innerhalb der EU aber auch in Drittländern lassen die Absatzmengen schrumpfen, der Höhepunkt der Preisentwicklung scheint hier erreicht. Der Brexit behindert darüber hinaus den Handel mit dem Vereinigten Königreich. 

In einer Millionenstadt wie Berlin gehen die Verbraucher zum Kühlregal im Supermarkt und greifen zu Butter, Milch, Käse, Joghurt und Quark. Wie arbeitsintensiv der Prozess des Butterns beispielsweise ist, wird von den Großstädtern kaum gesehen. Der LKW-Fahrer der Molkerei holt bei Wind und Wetter die Milch vom Bauernhof ab. Man kann Rohmilch nun mal nicht tagelang lagern wie Kartoffeln. Dann wird die Milch vom Lastwagenfahrer zur Molkerei gebracht und dort zu Butter verarbeitet. Zahlreiche Kühlketten müssen bis zur Auslieferung beim Kaufmann peinlichst genau eingehalten werden. Saure bzw. vergorene Milch will der Verbraucher nicht kaufen- wozu auch? Auf dem Bauernhof dient vergorene Milch allenfalls noch als Zusatzfutter für Schweine. 

Die fast 40.000 Beschäftigten der Milcherzeuger und die noch hinzukommenden Mitarbeiter in den Molkereien und die dabei eingesetzten Logistiger versorgen hierzulande über 80 Millionen Menschen mit gesunden und schmackhaften Milchprodukten. Kein Verbraucher muss befürchten, dass die Kühlregale mit Milchprodukten im Supermarkt leergefegt sind. Man regt sich in unseren Landen höchstens auf, weil ein Verbraucher einen bestimmten Himbeerjoghurt im Moment nicht vorfindet und er notgedrungen zum Kirschjoghurt greifen muss.

Von solchen Problemchen träumt man in vielen anderen Ländern nur! Aus der Redaktion eines Mediums in der Millionenstadt Berlin soll von hier aus mal ein großes DANKE an die Milcherzeuger und die Molkereifacharbeiter erfolgen!

Text: Volker Neef

Fotos: Volker Neef; Frank Pfuhl 

Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin