Menschen mit Spuren und und ihre Wege durch die Krise. Folge 7: Jürgen Skambraks
Gespräch mit Jürgen Skambraks, Geschäftsführer und Intendant der Studiobühne Bayreuth. Darüber hinaus bezaubert er Menschen mit seinem Schauspiel, seinem Gesang und seiner Musik.
MMS: Wie hinterlässt du denn aus deiner Sicht heraus Spuren bei anderen Menschen?
Jürgen Skambraks: Am meisten, denke ich, hinterlasse ich Spuren in meinem Beruf. Er ist ist ja auch sehr öffentlich. Ich stehe als Schauspieler auf der Bühne oder als Musiker. Ich mache Regie für bestimmte Stücke und da kommen natürlich Leute, die das anschauen können. Darüber wird in der Zeitung berichtet. Ich denke wir als Theaterleute hinterlassen Spuren in den Köpfen der Zuschauer und bestimmt auch bei manchen Spuren in der Erinnerung.
MMS: Geht es dann auch in die Emotionen? Was meinst Du, was emotional mit den Menschen passiert?
Jürgen Skambraks: Das kann ich nie beurteilen. Ich denke, jeder Zuschauer trifft seine eigene Entscheidung, wie er das Stück aufnimmt, das was er sieht. Wir legen etwas an, wir geben etwas vor, wir merken wie die Zuschauer reagieren.Aber was die Leute dann letztlich mitnehmen ist deren Entscheidung. Natürlich wird schon einiges von dem, was wir anbieten wollen, rüberkommen, aber dafür gibt es keine Garantie. Aber das ist ja das Schöne. Deswegen kann man auch über Theater gut sprechen und sich austauschen.
MMS: Wenn man so als Schauspieler als Regisseur als Intendant unterwegs ist, dann kommt plötzlich diese Pandemie und Lockdown. Was ist da passiert bei euch?
Jürgen Skambraks: Ich habe mein Amt als Intendant am 1. März 2020 übernommen, am 15. März haben wir das Theater zugesperrt. Nach einer Premiere. Wir haben nur die Premiere gespielt und alle anderen Aufführungen waren dann gestrichen. Im Sommer haben wir ein Notprogramm gespielt. Diese Premiere, dieses Stück ist jetzt nach eineinhalb Jahren wieder im Programm und wird bei uns weiter gespielt. Also ich dachte, ich steige hier in die Vollen und wir planen das Sommerprogramm so, wie es angedacht war, wir spielen weiter. Aber ich saß erst mal lange, lange Wochen und Monate im Büro und habe Anträge für Zuschüsse geschrieben, unsere finanzielle Situation dargestellt, neue Pläne entworfen, beobachtet wie die Corona-Situation ist und die Auflagen für Veranstaltungen. Ich habe dann Pläne geschmiedet für die Sommersaison, die wir in kleinem Rahmen spielen konnten, letztes Jahr. Dann haben wir für den Herbst geplant, eher normal. Und dann mussten wir wieder zusperren für lange Monate.
MMS: Das ist nicht die Kernkompetenz eines Schauspielers.
Jürgen Skambraks: Nein, überhaupt nicht, aber damit muss man umgehen. Das war die Situation, und die Situation hatte ja jeder Künstler, jeder Schauspieler, jeder Musiker, jeder, der öffentliche Veranstaltungen macht. Aber dass das ging ja auch bis in ganz normale Berufe hinein, dass Leute einfach ihr Geschäft nicht mehr führen konnten, dass sie schließen mussten, dass sie Auswege suchen mussten. Ich denke die Probleme waren bei vielen da. Es war bei uns einfach anders, aber wir hatten jetzt nicht viel mehr Arbeit oder großen Stress. Die Arbeit war einfach anders. Wir haben auch die Kurzarbeit eingeführt bei uns, mit gutem Grund, weil so viel war dann auch nicht zu tun bei uns.
MMS: Was war deine Strategie privat und geschäftlich durch diese Pandemie, durch den Lockdown zu kommen? Wie hast du das Ganze überstanden?
Jürgen Skambraks: Ich denke, der Grundgedanke war bei mir immer nach vorne zu schauen und zu denken, es wird es wird sich wieder ändern. Wir werden wieder Aufführungen machen. Die Arbeit wird wieder normal weitergehen. Ich persönlich werde wieder Menschen treffen und Freunde. Es wird ganz normal weitergehen. Darauf hat man sich halt vorbereitet.
MMS: In meinem Projekt Menschen mit Spuren geht es auch um die Frage der Kultur, der Kunst. Welches Buch, welche Musik, Literatur oder Kunst hat dir vielleicht eine kleine Hilfe, eine Motivation oder Inspiration gegeben, durch die Zeit besser zu kommen?
Jürgen Skambraks: Da fallen mir zwei Sachen ein. Das eine ist die Produktion, die ich als meine erste Regiearbeit in der Studiobühne jetzt aufgegriffen habe. Die Idee dazu kam nach dem Lockdown und das ist „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett. Es ist ein absolut absurdes Szenario – dafür steht ja Beckett. Hinter diesem Szenario merkt man, dass es in dem Stück ganz stark geht um Vereinsamung, um das langsame Vergehen, um die neue Situation, wenn die sozialen Kontakte schwinden. Das war natürlich genau das Thema, was viele in der Corona-Zeit auch beschäftigt hat. Das Schöne an den „Glücklichen Tagen“ von Samuel Beckett ist eben, dass es auf eine ganz andere Art gedacht wird, und dass man sich jetzt nicht nur mit den alltäglichen Problemen von Corona beschäftigt, die jeder kennt. Die muss man nicht auf die auf die Bühne bringen, denke ich. Das Stück wirft eben auch neue Fragen auf und schaut weiter: Wie geht es weiter, wenn auf einmal niemand mehr da ist in der Isolation, im Lockdown. Wie gestaltet man sein Leben? Da sind wir an den Punkt, was Theater immer gut kann, das Gestalten der Existenz darzustellen und zu zeigen, dass das Gestalten überhaupt möglich ist. Das ist sehr gut.
Der andere Punkt den jetzt noch sagen will: Ich bin Musiker. Ich spiele verschiedene Instrumente. Die klassische Gitarre kam sehr spät dazu. Ich habe zwei Freunde, der eine ist Gitarrenbauer, der andere auch ein sehr guter Gitarrist. Mit Beiden habe ich mich über Gitarren ausgetauscht, über Musik, Musikstücke über die Technik und so weiter. Das war sehr schön. Der Freiraum dafür war nur da durch den Lockdown. Aber das war eine sehr, sehr schöne Beschäftigung. Abgesehen davon gehört ja zu Kultur auch das Zusammenleben an sich. Das soziale Zusammensein war sehr reduziert eben auf die Familie, auf die paar Leute, die man überhaupt treffen durfte, meine Frau, meine Mutter, mein Bruder, ein ganz enger Kreis. die Kollegen auf der Arbeit. Aber das war eben auch intensiver. Es war alles sehr viel anders, aber es war für mich nicht unbedingt eine schlimme Zeit.
MMS: Was steht denn für die Zukunft an?
Jürgen Skambraks: Ich denke, wir wollen erstmal ganz normal weitermachen. Ich habe ja schon gesagt, Corona auf die Bühne zu bringen, ist nicht unbedingt reizvoll. Die Verlage bieten langsam Stücke an, wo das auch zum Thema gemacht wird. Aber es hat ja jeder erlebt. Ich denke, auf der Bühne wollen die Leute was anderes sehen, lieber das pralle Leben. Ich persönlich wünsche mir das neben den Produktionen, die wir jetzt gerade bringen, die noch zu Corona-Zeiten geprobt wurden, in denen sehr wenige Schauspieler auf der Bühne stehen. Die Schauspieler mussten ja früher noch Abstand untereinander haben. Das wird jetzt langsam gelockert. Wir sehnen uns danach mal wieder ein Stück mit 15 oder 20 Schauspielern zu machen, wo das ganze Ensemble dabei ist, wieder Gemeinsamkeit erleben kann, viel mehr gemeinsam an einem Strang ziehen kann. Das ist eher der Wunsch für die Zukunft und ein bisschen Normalität.
MMS: Vielen Dank für das Interview, die Inspirationen und die offenen Worte.
Text und Interview: Joachim Skambraks, Stimme der Hauptstadt.Berlin, Redaktion München
Hier finden Sie den Link zum Interview auf Video: