Thomas Ebersberger ist Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth. Er wurde schon 1984 bis 1990 und von 1996 bis 2020 in den Stadtrat von Bayreuth gewählt. Seit 1. Mai 2020 ist er Oberbürgermeister von Bayreuth. Im Beruf ist er Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht.
MMS: Wie hinterlassen Sie aus Ihrer Sicht Spuren?
Thomas Ebersberger: Das ist immer schwer zu beantworten, ob man Spuren und wenn man welche hinterlässt, was dann letztendlich auch heraus kommt. Für mich war es sicherlich die wichtigste Zäsur in meinem Leben, als mein Vater gestorben ist und ich 16 Jahre alt war. Ich habe ihn ein viertel, fast ein halbes Jahr mehr oder weniger begleitet. Anschließend war es so, wenn ich mich abends ins Bett gelegt habe, habe ich mir immer den Tag Revue passieren lassen. Was hättest du besser machen können? Was hättest du vielleicht anders machen können? Nachdem ich schon immer ein Mensch war, der sehr interessiert an Geschichte und an Sozialkunde war, habe ich mich immer ein bisschen mehr mit der Politik beschäftigt. Ich habe aber nie die Politik als Non-Plus-Ultra gesehen. Ich wollte immer unabhängig sein. Deswegen war es für mich ganz wichtig, dass ich meinen beruflichen Weg abschließe, dass ich beruflich etwas durchaus Vernünftiges darstellen kann, dass ich eine Familie habe und dass das Ganze gut läuft. Dann erst wollte ich in die Politik gehen oder parallel dazu Politik machen. Ich wollte nie von der Politik eingenommen werden oder gar von irgendeiner Partei.
MMS: Sie sind für die CSU aktiv, auch als Oberbürgermeister. Dazu eine Nachfrage an Sie als Mensch. Was ist Ihr innerster Antrieb Politik zu machen, weil es ist eine zeitaufwendige Aufgabe, kostet viel Zeit und kann viele Nerven kosten?
Thomas Ebersberger: Ich habe mich viel mit Geschichte auseinandergesetzt. Ich halte auch sehr viel von den christlichen Werten. Ich glaube, dass man nicht dafür da ist, seinen Bauch in der Sonne zu sonnen und zu bräunen, sondern man sollte versuchen, im Rahmen seiner Möglichkeiten das Beste zu geben. Dabei will ich nie sagen, dass ich das Beste erreiche oder, salopp gesagt, die Weisheit mit Löffeln gefressen habe. Zumindest möchte ich, wenn ich abends den Tag noch einmal im Bett Revue passieren lasse, sagen: Zu dem Zeitpunkt habe ich das nach bestem Wissen und Gewissen gemacht, was ich gemacht habe, in der Hoffnung, dass es dann langfristig besser wird. Ich glaube nicht, dass alles Zufall ist und dass man einfach in den Tag hinein leben sollte. Es gibt ein gewisses Ziel und man soll schauen, das Beste daraus zu machen.
MMS: Im Jahr 2020, gerade als Sie Oberbürgermeister wurden, fingen Pandemie und Lockdown an. Was hat das mit ihnen als Mensch gemacht?
Thomas Ebersberger: Ich war in gewisser Weise mit einer Handbremse versehen. Ich konnte viele Veranstaltungen, viele lieb gewonnene Sachen nicht umsetzen. Ich war dankbar, als ich die Impfungen bekommen konnte. Drei Tage nachdem ich geboostert war, hatte ich einen positiven Test, habe das aber nicht krankheitsbedingt mitbekommen, nur aufgrund von dem Test. Ich musste dann sagen, ich bin in der Phase positiv. Ich habe aber alles gut überstanden und von der Seite her kann ich sagen: Ich und auch meine Familie sind bis jetzt gut durchgekommen. Aber das ganze Leben und die Arbeit sind eine andere, als das, was ich mir vorher vorgestellt habe.
MMS: Fühlt man sich auch mal allein gelassen und auch als Politiker kann man kann man auch nicht so viel bewirken, wie man vielleicht möchte. Was war konkret anders?
Thomas Ebersberger: Ich hatte immer das Glück, dass ich auch raus konnte oder auch raus musste. Wie es so schön heisst, war ich systemrelevant und musste auf die Arbeit. Ich war also nicht auf meinen Home Office Arbeitsplatz zurückgezogen. Ich konnte immer rausgehen. Ich habe immer Hygiene und immer Abstand eingehalten. Aber an der normalen Arbeit an sich, im Büro, am Schreibtisch hat sich wenig geändert. Was sich für mich geändert hat, waren im Prinzip die ganzen Abendtermine. Ich bin ja vorher schon dreimal zweiter Bürgermeister gewesen und bin abends selten vor zehn oder elf Uhr heim gekommen. Ich war noch nie so viel zu hause wie in der Pandemie.
MMS: Mit „Menschen mit Spuren“ versuche ich auch herauszufinden, was durch eine Krise helfen kann. Welche Methode, Denkweise oder Einstellung hat Ihnen geholfen, durch diese Zeit und durch Ihr Amt besser zu kommen?
Thomas Ebersberger: Ich bin eine Art Pflichtenmensch. Ich versuche das zu akzeptieren, was kommt und versuche das zu ändern, was ich ändern kann. Es gibt ein Studentenlied: „Heute ist Heut“. Das finde ich, passt da ganz gut rein. Es ist eben so wie es kommt. Dann muss man aus dem, was passiert, das Beste machen.
MMS: Hier möchte ich gerne nachfragen. Wenn Sie einen schlechten Tag haben, was holt sie da wieder heraus?
Thomas Ebersberger: Normalerweise sage ich: Ich gehe raus in den Garten und hacke Holz. Aber das habe ich schon lange nicht mehr gemacht.
MMS: Wir sind beide in der Kulturstadt Bayreuth aufgewachsen. Inwieweit haben Kunst, Kultur, Theater, Musik oder Literatur ihnen geholfen, den einen oder anderen schlechten Moment wegzustecken?
Thomas Ebersberger: Wenn es mir schlecht geht und ich gute Musik höre, das ist bei mir eher Klassik als moderne Musik, dann wird man innerlich entspannter, dann lässt man die Probleme los und man konzentriert sich mehr auf das Wesentliche. Wobei ich sagen muss, in meiner Studentenzeit hat mir am meisten das Gebirge geholfen. Wenn ich wirklich mal eine ganz schlechte Phase hatte, dann bin ich auf einen Berg hoch gelaufen. Ich habe von oben herunter gesehen und habe gesehen, wie herrlich die Welt ist, wie klein ich bin und wie klein all die Menschen sind, die man vielleicht unten im Tal noch erahnen kann. Was sind dann meine Probleme überhaupt wert? Man kommt weiter, wenn man die Messlatte etwas höher legt und dann sagt: Also gut, ich bemühe mich und wir schauen, was passiert. Meistens kommt dann auch etwas Vernünftiges dabei heraus.
MMS: Jetzt nutze ich die Chance einmal konkret nachzufragen: Haben Sie zwei oder drei Highlights aus Ihrem Klassik-Repertoire die Ihnen besonders gut tun?
Thomas Ebersberger: Wenn man in der Nähe vom Festspielhaus aufwächst, ist es klar, dass man von Richard Wagner geprägt wird. Ich war das erste Mal in den Festspielen mit neun Jahren und seit der Zeit jedes Jahr. Wenn man sich vorstellt, wie schwierig es teilweise war, an Karten zu kommen, ist das, glaube ich, nicht Standard. Allerdings habe ich auch viele Generalproben erleben können. Ich habe einmal oben mitgewirkt, dann habe ich zwölf Jahre lang oben gekellnert von der Schulzeit über die Bundeswehrzeit, Studium bis zur Referendarzeit. Meine Mutter hat an Festspielgäste vermietet. Deswegen stand ich immer mit Wagner in Kontakt. Wenn dann die Chöre anfangen oder im Parsifal die Gralsglocken ertönen, das ist faszinierend. Da kann ich wirklich loslassen.
MMS: Ich war mit Mitte zwanzig das erste Mal im Festspielhaus in der Inszenierung des Parsifal von Götz Friedrich. Ich saß da im Zuschauerraum und von der Musik war ich so ergriffen, dass mir die Schauer über den Rücken liefen. Die Zeit der Ruhe und des Stillstands hat auch die Chance etwas Neues, eine Innovation oder eine Transformation zu schaffen. Was haben Sie vielleicht auch bewusst gestaltet?
Thomas Ebersberger: Etwas ganz Neues nicht. Ich habe mir schon seit langer Zeit gewisse Ziele vorgenommen und versucht, diese auch umzusetzen, Das Problem ist, dass ich in eine Zeit hineingekommen bin, in der zum einen viele Veranstaltungen ausgefallen sind, zum anderen die Kassenlage in Bayreuth deutlich eingedampft worden ist. Wir haben auch personell Schwierigkeiten, die entsprechenden Mitarbeiter zu finden oder zu halten. Deswegen bin ich noch nicht dort angelangt, wo ich hätte sein sollen oder wollen. Demzufolge hinke ich noch meinen Zielen hinterher. Ich habe also nicht etwas Neues angefangen, ich habe das Alte noch nicht ganz umgesetzt.
MMS: Was soll in zwei bis drei Jahren noch passiert sein?
Thomas Ebersberger: Auf jeden Fall möchte ich schauen, dass ich hier in Bayreuth gerade beim Wohnungsbau absolute Zeichen setze. Ich bin überzeugt, dass nur, wenn wir umweltverträgliche, gute Vorzeigprojekte haben, letztendlich Umweltschutz gelebt und umgesetzt werden kann. Ich glaube, wenn älterer Wohnraum frei gezogen wird, dann wieder Möglichkeiten existieren, dass junge Familien Häuser und ähnliches bekommen können. So kann man die Lebensqualität etwas erhöhen. Ich glaube die Keimzelle ist immer noch die Familie und ihre Umgebung. Wenn man da zu eng oder zu massiv aufeinander aufgesetzt ist, hat man gewisse Probleme fürs normale Leben. Deswegen, glaube ich, müssen wir massiv schauen, dass es besser wird. Das geht natürlich weiter mit Schulausbildung oder auch mit Kultur und Sportstätten. Im Freizeitbereich sind noch viele Möglichkeiten da. Wir haben unendlich viele notwendige Arbeiten vor uns. Und: Ich habe noch viel zu tun.
MMS: Vielen Dank, Herr Ebersberger, für Ihre Worte, Ihre Inspirationen und Ihre Ideen.
Fotos und Interview: Joachim Skambraks, Stimme der Hauptstadt.Berlin, Redaktion München
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