Dr. Udo Nink ist Experte für IT-Architektur, Informatiker und tätig im Projekt-Management.
MMS: Wie hinterlässt du aus deiner Sicht Spuren?
Dr. Udo Nink: Ich denke, die Spuren sind begründet aus dem Lebensweg, den man schon hinter sich hat. Meine ersten Spuren sind meine drei erwachsenen Söhne. Sie sind mittlerweile alle in Brot und Butter. Von meiner Arbeit her hinterlasse ich viele Spuren bei den Menschen, denen ich begegnen konnte, vor allem auch bei den Jüngeren, nicht nur den Älteren. Jetzt gehöre ich ja zu den Älteren. Man kann einiges mitgeben an Wissen, man kann sie weiterbilden und sie nehmen dieses Wissen an und leben es. Wenn man ein Projekt sieht, in dem man das letzte mal vor zehn Jahren war, und sie arbeiten immer noch nach der Methodik und mit den Werkzeugen, dann ist das schon sehr befriedigend.
MMS: Das Schicksal der Pandemie und des Lockdowns hat uns unterschiedlich getroffen. Was ist mit dir privat oder wirtschaftlich passiert?
Dr. Udo Nink: In der Beziehung hat die Zeit mich und meine Frau noch stärker zusammengeschweißt, und das ist nicht immer so selbstverständlich und einfach. Das hat super funktioniert. Wir sind letzten Endes zwei Höhlenbewohner geworden, für eine Zeit lang zumindest während des Lockdowns. Für mich als IT-ler war es wirklich nicht so schlimm. Es ging in der stark betroffenen Automotive-Branche ab dem 2. Quartal 2020 von der Beauftragung her runter, so auf 100 Prozent. Ich gehe dabei von 150 Prozent aus. Das fühlte sich ok an. Das ist sehr angenehm und ich habe das sehr genossen. Nur wurde es weniger und weniger in Richtung 50 Prozent. Da fing ich an, sehr viel Zeit zu haben, um über andere Dinge nachzudenken. Wie wichtig sind in meinem Alter noch entsprechender Umsatz oder Gewinn? Wie kommst du über die Runden? Was musst du tun, um die nächsten Projekte zu kriegen? Sind es eigentlich die richtigen Themen oder die richtigen Kunden, wo du gerade bist? Die Gedanken muss man sich machen. Im Vergleich immer auf einem Niveau, wo ich sagen kann, ich war in Brot und Butter. Also es war nicht schlimm.
MMS: Sich zu fragen, welchen Sinn macht das noch, oder, was will man überhaupt, hat ja etwas mit Denkweisen oder Methoden zu tun. Was davon hat dir auch geholfen, durch diese Zeit ein wenig eleganter zu kommen?
Dr. Udo Nink: Ich bin ein Freund von Reduktion. Es spiegelt ein bisschen meine Meinung, dass die Pandemie vielleicht zeitweise gar nicht schlecht war. Sie hatte natürlich insgesamt sehr viele negative Auswirkungen und belastet uns sehr stark. Aber es hat auch Vorteile, dass sich viele Menschen stärker auf wichtigere Dinge fokussiert haben und nicht mehr ohne Nachdenken konsumieren oder wegschmeißen. Warum tue ich machen Dinge überhaupt? Mit wem beschäftige ich mich? Beschäftige ich mich mit den richtigen Menschen? Meine Zeit ist kostbar und die sollte ich nutzen. Ich muss sie ja nicht mit unangenehmen Menschen verbringen. Ich kann sie mit denen verbringen, die ich mag und auch liebe. Für mich ist Reduktion ein Thema, das mich einfach befreit. Ich hatte die Situation schon einmal, vom Haus in eine Wohnung ziehen. Das war im Endeffekt für mich super befreiend. Mich hat einfach viel weniger beschäftigt, wozu ich keine Lust hatte. In der Pandemie habe ich einfach dieses Vehikel genutzt. Es hätte auch negativ sein können. Für mich war es ein Vorteil, mich nicht mit vielen Dingen beschäftigen zu müssen, wo ich sowieso gerade keine Lust drauf hatte. Das hat mir Freiräume geschaffen, mich einfach mit Dingen zu beschäftigen, die ich teilweise habe liegen lassen.
Dr. Udo Nink, Foto: Joachim Skambraks
MMS: Du spielst auch E-Drums und tendierst auch in Richtung Musik und Kultur. Was aus dem Bereich Literatur, Kunst oder Theater hat dir in der Auszeit des Höhlenlebens Inspirationen gegeben?
Dr. Udo Nink: Das ist der Vorteil gegenüber den Höhlenmenschen, dass man so eine E-Drum rein stellen kann, wenn dann auch noch Strom fließt. Das hat mir schon sehr geholfen. Ich habe das vorher auch schon gemacht. Ich bin jetzt niemand, der täglich vier Stunden spielt. Für mich ist das Instrument ein Vehikel, um einfach ein bisschen Dampf abzulassen und auch auf andere Gedanken zu kommen. Dann übe ich vielleicht auch wieder Songs, die ich schon länger nicht mehr geübt habe oder gedacht habe, ich hätte keine Zeit, sie zu spielen. Manchmal muss man einfach wieder reinkommen, man liest auch mal die Noten. Dann spielt man wieder aus dem Bauch, schaltet das Radio an und spielt mit. Oder man versucht, ein paar afrikanische Rhythmen mitzugehen, die ganz anders ticken als von Rock’n’Roll Songs im Viervierteltakt.
Lesen war auch ein größer werdendes Thema. Weniger jetzt Literatur, die mit dem Beruf zu tun hat, durchaus auch Sachliteratur. Ich erinnere mich, zum Beispiel, an eins, das mich persönlich sehr überrascht hat. „Factfulness“ von Hans Rosling ist ein Buch über Statistik. Es fiel aber sehr gut in die Zeit rein, auch wenn es vorher geschrieben wurde. In diesem Buch wird sehr gut gezeigt, dass der Mensch nicht so gut in der Lage ist, mit exponentiellem Wachstum umzugehen. Es gibt viele unterschiedliche Kurven und der Mensch ist am besten in der Lage lineare Kurven zu interpretieren. Also einfach so weiter denken, wie es bisher gelaufen ist. Was davon abweicht, passt nicht so sehr ins Denkmuster. Den Test, der am Anfang des Buches steht, den kann ich nur empfehlen. Das ist ein Fragenkatalog und je älter man ist und je weniger man hinterfragt, was man denkt, desto weniger gut wird man wahrscheinlich in diesem Test abschneiden. Das war der Test, bei dem ich in meinem Leben mit Abstand am schlechtesten abgeschnitten habe.
MMS: Da kann man wenigstens Stolz darauf sein, wenn man etwas daraus lernt.
Dr. Udo Nink: Viel Wissen hat sich geändert, das man immer noch in seinem Kopf hat. Es lohnt sich, ständig zu hinterfragen, ob das, was man denkt und von Anderen oder von der Welt hält, überhaupt noch stimmt.
MMS: Mir kommt das Bild vom Höhlenmenschen nicht aus dem Kopf. Dieser Stillstand hat ja auch die Chance, dass etwas Neues oder eine Transformation entsteht. Was ist bei dir passiert?
Dr. Udo Nink: In der Zeit, in der die Auftragslage nicht so rosig war, habe ich nicht nur gelesen, wie es mit meinen Finanzen aussieht oder was sagt Hans Rosling über Statistik oder was mache ich mit Musik. ich habe auch darüber nachgedacht, wie sieht die Zukunft aus und wie geht es mit meinem Job weiter. Wie lange möchten einen die Projekte oder die Auftraggeber mit Mitte 50 als Freiberufler überhaupt noch haben? Mir ist klar geworden, dass das gar nicht der Punkt ist. Sondern das Wissen und die vergangenen Ergebnisse, die man gefeiert hat, sind wichtig. Auf die habe ich mich fokussiert. Ich habe mich auch davon verabschiedet, als Einzelperson als Firma aufzutreten, im Sinne von Nink IT Consulting. Das ist aus meiner Sicht mittlerweile unnötiger Humbug und Ballast, den ich nicht brauche. Meine Website habe ich einfach komplett neu aufgebaut im Wesentlichen als Blog. Es ist jetzt udonink.de und das ist meine Person. Ich verkaufe mich mit meinem Wissen und den Ergebnissen, die ich liefere. Darauf habe ich mich stark fokussiert und auch mich wieder alter Ergebnisse bedient. Auch nehme ich Themen auf, die ich gemacht habe, und von denen ich merke: Sie sind wieder sehr im Kommen. Man schaut, was passiert auf dem Markt und was wird gesucht? Das sind Themen wie Unternehmensarchitektur. Da werden Leute gesucht am liebsten in Festanstellungen. Das ist nicht mehr mein Ding. Aber dadurch entstehen auch Projekte. Ich musste nur mit der Situation zu Rande kommen. Wie schaffe ich es, dass die Leute im Projektmarkt mich suchen als jemanden, der ihnen sagt: Ich komme aber nicht Vollzeit, sondern ich komme nur in Teilzeit. Der Markt tickt eigentlich ganz anders. Aber man findet diese Lücke. Man muss halt auch in solche Lücken stoßen und sich dann dorthin verkaufen. Ich sage mit diesem Expertenwissen: Ich bringe euch weiter, aber in Vollzeit könnt ihr andere Leute nehmen. Ich kann die Mitarbeiter gerne schlauer machen und fokussiere auf genau diese Art von Geschäft. Das hat mich persönlich weitergebracht und funktioniert auch heute sehr gut.
MMS: Danke fürs Gespräch und für die Inspirationen.
Fotos und Interview: Joachim Skambraks, Stimme der Hauptstadt.Berlin, Redaktion München
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