„37°“-Reportage über ein Leben nach der Kohle
10. August 2021
Carsten Stahl geht neue Wege-Teil 1  
11. August 2021
alle anzeigen

Jürgen Skambraks brilliert als „Taugenichts“ bei den Lockerspielen in Bayreuth

Jürgen Skambraks brilliert als „Taugenichts“ bei den Lockerspielen in Bayreuth

Da sitzt ein Dichter in seiner Amtsstube und die Zeit will so gar nicht so recht vergehen. Seine Gedanken schweifen in die Ferne. Er will weg aus dem kalten Danzig. Doch als kleiner Beamter mit einer geliebten Frau und drei Kindern, die er versorgen muss, droht höchstens eine Karriere im noch kälteren Königsberg. Das spiegelt wohl auch die reale Lebenssituation des Dichters Joseph von Eichendorff wider, der für diesen „Taugenichts“ die literarische Vorlage lieferte.
Beim Schreiben einiger Zeilen, die nicht so recht gelingen wollen, entsteht in ihm eine Figur: Der Taugenichts. „Geh los“ ist der Aufruf seiner inneren Stimme. Der Dichter lässt sich darauf ein und es beginnt eine poetische Reise. Jürgen Skambraks, der das Stück geschrieben und inszeniert hat und selber spielt, gelingt der Rollenwechsel schnell durch Kopftuch, Hut und einer Arlecchino-Maske (gestaltet von Silvia Chávez). Mit dieser kunstvollen Maske gleichzeitig Präsenz zu schaffen, Gitarre zu spielen, zu singen und komplexe rhythmische Bewegungen zu meistern sind eine ordentliche Herausforderung. Jürgen Skambraks meistert sie mit seiner großen

Erfahrung fulminant. Zurecht wurde dieses Stück für den Kölner Theaterpreis nominiert.Markenzeichen des Taugenichts ist auch eine kleine Gitarre, mit der er auf seiner Reise spielt, dazu singt und seine Angebetete bezirzt.


Skambraks nimmt sein Publikum mit auf seine Wanderschaft, zur Gärtnerarbeit im einem Schloß und schließlich die Fahrt nach Rom. Einer der Höhepunkte ist der Auftritt von „Gurnemanz“ – einer mit einfachsten Mitteln gestalteten Handpuppe. Mit ihr entsteht ein lockerer Dialog und es wird enthüllt, das er den Gral gefunden hatte. Es ist diese einfache Blechschüssel, in der Taugenichts sich Wasser erhofft hätte. Die Blechschüssel hatte vorher die Funktion eines Tintenfasses. Die auf einer neutralen Bühne eingesetzten Requisiten sind auf ein Mindestmaß beschränkt und bekommen je nach Szene verschiedene Bedeutungen. Die Gitarre muss auch einmal als Ruder herhalten. Ein vom Dichter achtlos weggeworfenes Stück Papier wird später zu einem geheimen Liebesbrief für ein Rendezvous. 
Wer meint, ein Ein-Personen-Stück sei ein langer Monolog, der sei gesagt: Mitnichten! Jürgen Skambraks entführt sein Publikum in kürzester Zeit in die Reise von Eichendorff’s Taugenichts. Wir lernen etwa 10 Charaktere kennen. Innerhalb von Bruchteilen von Sekunden entstehen komplett neue Menschen durch präzise Körperhaltung, Stimme, definierte Bewegungen und wenige ausgewählte Requisiten.


Am Ende der Reise und des Theaterabends heiratet der Taugenichts schließlich seine doch nicht adlige Angebetete. Sie leben glücklich zusammen und bekommen drei Kinder. Er ist ist ein kleiner Beamter und muss seine Familie versorgen. Unterhaltsam und inspirierend hat sich der Kreis auf einer fantasievollen Reise geschossen. Was bleibt ist die blaue Blume. Auf der Reise gefunden und jetzt sein Schreibpult zierend.

Weitere Termine am 11. und 15. August 2021 im Hoftheater des Steingraeber Palais. 
Informationen: https://www.studiobuehne-bayreuth.de/theater/de/spielplan/kalender/

 
Text: Wolfgang von KoernerFotos: Studiobühne Bayreuth, Jürgen Skambraks

Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin