Gerade lese ich – Dr. Matthias Bath berichtet
In Zeiten von Corona greift man wieder – oder verstärkt – zum Buch. Unsere Redaktion hat sich einmal umgehört, was unsere Gesprächspartner aktuell lesen.
Matthias Bath ist selber Autor mehrerer Bücher, von ihm stammen u. a. „Danebrog gegen Hakenkreuz – Der Widerstand in Dänemark 1940 – 1945“ (2011) und „Mauerfall – 25 und eine Erinnerung an die Nacht des 9. November 1989“ (2019). Der pensionierte Staatsanwalt gehörte von 2016 bis 2019 als Mitglied der AfD-Fraktion der BVV Reinickendorf an. Heute betätigt er sich als Basisaktivist und schreibt für das AfD-Mitgliedermagazin „Trend“ (trendmagazin.co). Der promovierte Volljurist Matthias Bath berichtet: „Gerade in Zeiten von Corona, da bislang für unverbrüchlich gehaltene Grundrechte bis zur Bewegungsfreiheit des Einzelnen schlagartig aufgehoben wurden, und polizeistaatliche Tendenzen unverkennbar Raum greifen, erscheint Hannah Arendts Büchlein über persönliche Verantwortung in einer Diktatur von auf einmal ungeahnter Aktualität.
Einleitend weist sie zunächst darauf hin, dass es juristische wie moralische Verantwortung gebe, und auch ein Unterschied zwischen politischer und persönlicher Verantwortung bestehe. Politische Verantwortung beschränke sich auf die Angehörigen von Entscheidungsgremien. Die persönliche Verantwortung erstrecke sich aber auch auf die einzelnen Funktionsträger, die durch ihr Verhalten das Funktionieren eines diktatorischen Staatsapparates überhaupt erst ermöglichen würden.
Arendt macht es im Folgenden kurz: Um sich hier von schuldhafter Verstrickung freizuhalten, müsse man zunächst sein Urteilsvermögen für Recht und Unrecht vor allem in moralischer Hinsicht bewahren. Dazu gehöre auch, nicht auf jeden „Zeitgeist“, die Autorin benutzt tatsächlich dieses Wort, und den damit einhergehenden Austausch der Wertesysteme aufzuspringen. Das mag persönlichen Mut erfordern, weil ein öffentlicher Druck zur Anpassung auf jedem einzelnen laste. In dieser Situation müsse jeder, der aufgrund seines weiter bestehenden Urteilsvermögens geänderten Wertesystems nicht folgen wolle, für sich entscheiden, ob er-zumindest äußerlich-so werden wolle wie die Träger der neuen Werteordnung. Verneine man diese Frage, so bliebe nach einer Machtübernahme des neuen Wertesystems nur der weitestmögliche Rückzug ins Staatsferne und Private. Arendt bezeichnet dies als „zivilen Ungehorsam“ in einer Diktatur.
Diejenigen, die sich anders entscheiden, könnten sich Arendt zufolge weder auf etwaige Absichten durch ihr Mitwirken „Schlimmeres verhindern zu wollen“ oder auf allgemeine Gehorsamspflichten berufen, denn sie hätten es in der Hand gehabt, sich durch „zivilen Ungehorsam“ der Mitwirkung an
staatlichem Unrecht zu entziehen. Wer sich aber in einer derartigen Situation staatlichen Gehorsamspflichten bewusst unterwerfe, der unterstütze im Grunde freiwillig und damit auch persönlich verantwortlich alle ihm von Vorgesetzten oder der politischen Führung auferlegte Unrechtshandlungen. Nach dem Zusammenbruch eines Unrechtssystems sollte man deshalb die Mitmacher nie fragen: „Warum hast Du gehorcht?“, sondern: „Warum hast Du Unterstützung geleistet?“.
Hier alle Angaben zu dem Buch, das Matthias Bath gerade liest: Hannah Arendt: „Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?“, Piper Verlag zu München. ISBN 978-3-492-23828-1 (Text: Volker Neef/Fotos: Piper Verlag; „ESDES.Pictures/Bernd Elmenthaler“)