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Emine Demirbüken-Wegner: Lebenslauf wird auf den Kopf gestellt 

Emine Demirbüken-Wegner (Foto: Privat)

Emine Demirbüken-Wegner: Lebenslauf wird auf den Kopf gestellt 

Das gab es so noch nie in Berlin: Alle Bezirksrathäuser in Berlin werden Rot-Rot-Grün regiert! Auch die letzten beiden Bastionen der Berliner CDU, Zehlendorf-Steglitz und Reinickendorf, haben nunmehr eine Grünen-Bürgermeisterin oder einen SPD-Chef. Dennoch bleibt eine Besonderheit der Berliner Kommunalverfassung erhalten: Bis heute gibt es kein politisches Bezirksamt.

Gemäß dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit sind in allen Rathäusern auch die anderen „stimmengewaltigen“ Parteien via Stadträte vertreten. Während allerdings im noblen Bezirk Steglitz-Zehlendorf der Umgang der Parteien untereinander stilvoll und im gegenseitigen Respekt miteinander erfolgte und die Parteien über ihre Grenzen hinweg auch mehrheitlich die Kandidaten der anderen Seite mitwählten, ist in Reinickendorf die Welt so gar nicht in Ordnung. Im Ergebnis der Wahlen bekam die SPD zwei Posten, die Grünen einen, und die CDU darf sogar drei Stadträte stellen. Im Bezirk verbündete sich die SPD mit den Grünen und der FDP und schaffte es so, ihren Kandidaten Uwe Brockhausen zum Bezirksbürgermeister wählen zu lassen. Er war vorher im Amt als Stellvertretender Bezirksbürgermeister. Den Verlust des Bezirksbürgermeisters war eine bittere Pille für die Bezirks-CDU, die damit nach 26 Jahren den Chefsessel räumen musste. So weit, so gut? – Nein, denn um die Besetzung der drei CDU-Posten ist ein parteipolitisches Gerangel ersten Grades entbrannt. Die CDU nominierte die ehemalige Abgeordnete und Berliner Staatssekretärin a.D. Emine Demirbüken-Wegner als Stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und Stadträtin. Funktionen, die der CDU zustehen und für die diese das alleinige Nominierungsrecht hat. Die Rot-Grün-Gelbe Mehrheit des Bezirks verweigerte jedoch bisher die Wahl. Stein des Anstoßes ist eine Wahlkampfzeitschrift, in der sich Emine Demirbüken-Wegner zusammen mit ihren zwei ebenfalls betroffenen Wahlkreiskollegen Burkard Dregger und Björn Wohlert gegen die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft in einem sozialen Brennpunkt des Bezirks ausgesprochen hatte. Insbesondere das Titelbild eines durch einen Hammer zerstörten Paracelsus-Bades sorgt für Streit. Wir sprachen mit Emine Demirbüken-Wegner.

STIMME-DER-HAUPTSTADT: Hand aufs Herz: Wie geht es Ihnen aktuell?

Emine Demirbüken-Wegner: „Nicht gut. Im Zuge der Auseinandersetzung um meine Kandidatur wird mir seitens der Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung Ausländerfeindlichkeit, Rechtsradikalismus und Diskriminierungsgesinnung unterstellt. (Anmerkung unserer Redaktion: Frau Demirbüken-Wegner kam in der Türkei zur Welt. Ihr Vater kam als sogenannter Gastarbeiter nach Berlin) Ich würde das Geschäft der Populisten besorgen ist noch eine der harmloseren Unterstellungen. Mein Lebenslauf wird gerade auf den Kopf gestellt“.

STIMME-DER-HAUPTSTADT: Der Streit entzündet sich an einem Titelbild einer Ortsteilzuschrift. Wie stehen Sie dazu?

Emine Demirbüken-Wegner: „Schon der damalige SPD-Bundesvorsitzende und ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte, dass man im Wahlkampf zuspitzen müsse, sonst würde man die Bürgerinnen und Bürger nicht erreichen. Das Titelbild ist eine solche Zuspitzung. Die inhaltlichen Ausführungen beziehen sich auf die soziale Brennpunktlage zwischen drei Ortsteilen in Reinickendorf. Darin finden Sie kein Wort, das diskriminierend, ausländerfeindlich oder rechtsradikal interpretierbar ist. Solch eine Denke würde auch 40 Jahre meiner ehrenamtlichen Vita verleugnen. Hätte ich auch nur erahnt, dass der Titel die inhaltliche Diskussion dermaßen überdeckt, hätte ich diesen Titel nimmer publiziert. Es tut mir leid, dass damit wichtige Inhalte ganz weit nach hinten gedrängt wurden. Und dieser Umstand schmerzt einfach!“

STIMME-DER-HAUPTSTADT: Ihnen wird die Eignung für eine Position im Bezirksamt abgesprochen. Was sagen Sie dazu?

Emine Demirbüken-Wegner: „Ich habe 18 Jahre lang als Integrationsbeauftragte in Berlin gearbeitet. Ich war 10 Jahre Abgeordnete. Fünf Jahre lang durfte ich als Staatssekretärin in dieser Stadt tätig sein. Charakterliche und persönliche Eignungen für diese Funktionen wurden mir in dieser Zeit nie abgesprochen. Ich glaube, ich habe wirklich bewiesen, dass ich diesem Land, diesem Staat, dieser Stadt verantwortungs- und würdevoll sowie mit großem Respekt diene. Der politische Diskurs ist mitunter konfrontativ, insbesondere wenn man Oppositionspolitikerin ist. Daraus eine mangelnde Eignung zu konstruieren, das verschlägt mir die Sprache“.

STIMME-DER-HAUPTSTADT: Es gibt Stimmen, die unterstellen der Rathausmehrheit einen Rachefeldzug gegen Sie. Können Sie das erklären?

Emine Demirbüken-Wegner: „Rachefeldzug? Nein, das erklärt sich mir nicht. Natürlich gibt es im politischen Raum Streit, der nicht immer der Förderung freundschaftlicher Beziehungen dient. Aber jede Diskussion, jeder Disput findet doch auf der Basis unserer demokratischen Grundordnung statt. Rache hat weder als Begriff noch als Begründung in demokratischen Wahlen etwas zu suchen“. 

STIMME-DER-HAUPTSTADT:  Man fragt sich, wie geht es nun weiter?

Emine Demirbüken-Wegner: „Im Januar werden die weiteren Wahlen zur Vervollständigung des Bezirksamtes wieder auf der Tagesordnung sein. Ich hoffe, dass auch mit meiner Hilfe bis zu diesem Zeitpunkt sich die Wogen geglättet haben werden. Ich stand und stehe jederzeit für Gespräche bereit. Einige haben bereits stattgefunden, andere werden noch folgen. Ich möchte auf jeden Fall jeden Anschein von Missverständnissen ausräumen. Wir brauchen, darin sind sich doch alle Parteien im Rathaus Reinickendorf einig, ein vollständiges Bezirksamt. Die anstehenden Aufgaben, und das ist nicht nur das Pandemiemanagement, sind so groß, so viel und so anspruchsvoll, dass alle sechs nominierten Dezernenten gewählt sein sollten. Ich bin zuversichtlich, dass die Mehrheit der Bezirksverordneten dies auch so sieht und wir mit der Arbeit für die Menschen im Bezirk endlich beginnen können“.

STIMME-DER-HAUPTSTADT:  Vielen Dank für das Gespräch. (Text: Volker Neef/Foto: Privat)

Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin