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Ein schwules Leben? – Buchvorstellung

(Foto: Frieling Verlag)

Ein schwules Leben? – Buchvorstellung

Homosexualität war in der Nachkriegszeit in Deutschland nicht nur verpönt, sie war lange Zeit verboten. Homosexuelle galten als Bösewichte; die Gesellschaft machte sie zu anrüchigen Gestalten. Sie waren alle Gesetzesbrecher. Homosexualität wurde strafrechtlich geahndet. Sex unter Männern war verboten. Bis in die Zeit nach der Wiedervereinigung sogar hinein. So lange behielt der aus der Kaiserzeit stammende Paragraf 175 im Strafgesetzbuch stand. Homosexuelle hießen im Dorfkrug daher „Die 175er“. 

Es hat lange gedauert, bis sich der Pädagoge und Historiker Gottfried Lorenz zu seiner Homosexualität offen äußern konnte. Gottfried Lorenz ist der Autor des Buches „Ein schwules Leben? Erinnerungs- und Gedankensplitter“. Das Buch kam 2022 im Frieling Verlag zu Berlin heraus und umfasst 324 Seiten. Der Autor kam 1940 in Niederschlesien zur Welt. Er und seine jüngere Schwester wachsen mit Mutter und Großmutter ohne Vater auf. Das bildungsbürgerliche Umfeld ist religiös geprägt. Man flüchtet 1945 nach Thüringen. Mit der Pubertät erkennt der Verfasser, dass er sich sexuell von Jungen angezogen fühlt. Seine Homosexualität lässt sich weder durch Gebete noch durch zölibatäres Leben beseitigen, also söhnt er sich mit ihr aus. 1955 flieht die Familie erneut, diesmal nach West-Berlin und von dort in den Kreis Wesermünde. Dort macht er an der Niedersächsischen Heimschule Bederkesa Abitur. Seine Studien- und Lehrjahre (auch in sexueller Hinsicht) beginnen. Wie lebte es sich in seiner Jugend und in seinem Erwachsenenalter als Schwuler in Deutschland? Die Erfahrungen sind zwiespältig, denn homosexuelle Handlungen stehen unter Strafe; Schwulen drohen strafrechtliche Ahndung, universitäre und berufsständische Strafmaßnahmen, gesellschaftliche Diskriminierung. Der Verfasser findet jedoch ein erfülltes Berufsleben als Lehrer und Autor und entwickelt sich zu einem selbstbewussten schwulen Mann, der sich seit vielen Jahren für die Rechte queerer Menschen engagiert. Früher hatte die Gesellschaft Künstlern „gestattet“, homosexuell sein zu dürfen. Dann hieß es immer in der Klatschpresse über den berühmten Schauspieler X Y: „Sein Haushalt wird von einer Haushälterin geführt“. Jeder erwachsene Leser wusste sofort, was damit ausgedrückt werden sollte! Machen wir uns aber nichts vor bitte! In den 80er Jahren noch gingen Politikerkarrieren zu Bruch, weil sich der Herr Abgeordnete oder der Herr Senator scheiden ließ! Eine Politikerkarriere war damals erst recht beendet worden, wenn die Öffentlichkeit erfahren hatte: Der betreffende Politiker ist ein Schwuler. Man ging nicht zu einem schwulen Arzt, Zahnarzt oder ließ seine Söhne auch nicht in den Schulen von „Tucken“ unterrichten! Viel zu groß die Gefahr, die „Krankheit“ überträgt sich. Das Gesetz, dass die gesetzlichen Krankenkasse keine bestimmten Heilungen gegen Homosexualität nicht mehr mitfinanzieren bei den wenigen Ärzten, die die „Krankheit“ medizinisch bekämpfen wollten wie eine Grippe oder einen Keuchhusten, trat erst in der letzten Legislaturperiode in Kraft. 

Der Pädagoge Gottfried Lorenz verabschiedete seine Abiturienten mit dem Wunsch: „Ich wünsche Ihnen kein leichtes Leben, sondern ein Leben, das Sie bestehen können!“ Der Schriftsteller lässt in der vorliegenden Autobiographie sein Leben Revue passieren. Er geht auch der Frage nach, ob er selbst bisher sein Leben hat „bestehen können“. Wie lebte es sich damals, als der Autor ein Jugendlicher und kurz darauf ein junger Mann war, als Schwuler in Deutschland? 

Seine Erfahrungen sind zwiespältig, denn homosexuelle Handlungen stehen unter Strafe; Schwulen drohen strafrechtliche Ahndung, universitäre und berufsständische Strafmaßnahmen, gesellschaftliche Diskriminierung. Der Verfasser findet jedoch ein erfülltes Berufsleben als Lehrer und Autor und entwickelt sich zu einem selbstbewussten schwulen Mann, der sich seit vielen Jahren für die Rechte queerer Menschen engagiert. Es lässt sich so ausdrücken für Gottfried Lorenz: Ende gut-Alles gut! 

Das sehr emotional verfasste und sehr informative Buch „Ein schwules Leben? Erinnerungs- und Gedankensplitter“ vom Autor Gottfried Lorenz ist im Frieling Verlag zu Berlin erschienen. Es kostet im deutschen Buchhandel 13,90 Euro. ISBN 978-3-8280-3693-2. 

Text: Frank Pfuhl

Foto: Frieling Verlag

Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin