Dr. med. Ludger Stratmann sagt TSCHÜSS
In Westfalen kam Ludger Stratmann 1948 als eines von neun Kindern zur Welt. Der Kohlenpott ist sein Zuhause. Eine sehr gute Gegend scheint das Ruhrgebiet für Kabarettisten zu sein. In Bochum wirkte jahrzehntelang am Schauspielhaus die unvergessene Tana Schanzara.
In Herne lebte bis zu seinem Tode 1994 der ebenfalls unvergessene Jürgen von Manger, der als Adolf Tegtmeier sowohl als Komiker und auch als Kabarettist sehr erfolgreich war. Im westfälischen Bad Salzuflen erblickte Jürgen von Manger das Licht der Welt. Mitten im Kohlenpott, in Recklinghausen, stand die Wiege von HaPe Kerkeling. Recklinghausen war auch die Geburtsstadt des unvergessenen Komikers und Schauspielers Walter Giller. Man möge unserer Redaktion verzeihen, wenn wir aus Platzgründen nicht alle namhaften Kabarettisten und Komiker aus dem westfälischen Bereich aufgeführt haben. Bevor Ludger Stratmann seine Bühnenlaufbahn begann, drehte sich bei ihm Anfangs alles nur ums Geld, aber nicht seinem eigenen. In Essen erlernte er den Beruf des Sparkassenkaufmannes. Auf dem Zweiten Bildungsweg holte er das Abitur nach und studierte, natürlich in den Ruhrgebietsstädten Bochum und Essen, erfolgreich Medizin. In Bochum promovierte er. Bis 1998 praktizierte er in einer eigenen Arztpraxis in Bottrop. Hatte er zuvor, mehr als Freizeitgestaltung, kleine Auftritte als Kabarettist, kam dann im Kunstbereich der ganz große Durchbruch. Alle Kabarettstücke verfasste er selber. Mit Bühnenstücken wie „Hauptsache, ich werde geholfen!“; „Heute komm ich mal mit meinem Bein!“; „Hauptsache nich fettich…“; „Machensichmafrei, bitte!“ sowie „Kunstfehler“ und „Pathologisch“ eroberte er im Sturm sein Publikum. Der in Köln beheimate WDR wurde sein Haussender. Zahlreiche Auftritte übertrug der WDR in voller Länge. Die Grugahalle in Essen fasst ca. 4.500 Besucher. Trat dort „Der Doktor“ auf, waren kurz nach Eröffnung des Kartenverkaufs die Kartenhäuschen menschenleer. Die Kartenverkäufer mussten ein Schild aushängen, auf dem zu lesen stand: Ausverkauft. Die Stadt Herne ehrte ihn im November 2009 mit dem Tegtmeiers-Erben-Ehrenpreisreis. In Herne befindet sich auch das Volkstheater „Mondpalast“. Ludger Stratmann und sein Bruder haben es gegründet. Der Kabarettist teilte nunmehr mit, er werde sich nach über 3.000 Vorstellungen zur Ruhe setzen! Knapp 2,6 Millionen Live-Zuschauer besuchten die Auftritte von „dem Doktor“. An manchen Tagen stand der Künstler an drei Vorstellungen auf der Bühne. Aufgrund der Corona-Pandemie fanden keine Auftritte mehr statt. Die in dieser Zeit ausgefallenen Auftritte, für die die Karten schon lange restlos verkauft worden sind, holt Ludger Stratmann noch nach. Danach ist aber Schluss. Leider, leider, kann man da nur sagen. Wir haben uns einmal umgehört, was die Ankündigung von Ludger Stratmann, sich von der Bühne zurückzuziehen, für Reaktionen ausgelöst hat. Dipl.-Ing. Volker Tschapke ist Ehrenpräsident der „Preußischen Gesellschaft e. V.“, die ihren Sitz am ehrwürdigen Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte hat. Er sagte: „Dr. Ludger Stratmann und ich sind ja Landsleute. Wir kamen beide in Westfalen zur Welt, im Ruhrgebiet sind wir zur Schule gegangen. DER DOKTOR, wie man ihn ehrfurchtsvoll nennt, hat es mit Leichtigkeit verstanden, sein Publikum zu unterhalten. Im Mondpalast habe ich Tränen gelacht, als Ludger Stratmann berichtete, da sei ein Patient „heute mit seinem Bein gekommen.“ Dieser Kabarettist spricht und denkt so, wie der gute alte Kohlenpott leibt und wie er lebt. Die Maske der Künstler zeigt ja ein lachendes und ein tränendes Auge. Das lachende Auge steht für den Ruhestand, den der begnadete Künstler demnächst genießen kann. Das weinende Auge steht für die vielen, vielen Freunde des Künstlers, die auf Live-Auftritte bald verzichten müssen. Von dieser Stelle aus sage ich dem DOKTOR: Mach ett jutt!“ Den Berliner Schauspieler Joachim Kelsch kennt man vom Deutsch Jüdischen Theater, Theater Varianta in Spandau und vom Pfefferberg-Theater. Aus dem Fernsehen kennt man ihn u. a. auch aus „GZSZ“ und „Schwarzwaldklinik.“ Joachim Kelsch betonte: „Wie ich jetzt erfahren habe, will sich der Kollege Ludger Stratmann in den Ruhestand verabschieden. Einerseits finde ich das sehr schade, aber andererseits ist es nur zu verständlich, dass er es sich nun etwas gemütlicher machen möchte. Lange Jahre war er als Arzt tätig, dann der Wechsel auf die Kabarettbühne, schließlich hat er es sich ja auch verdient. Was für den Zuschauer ein unterhaltsamer Abend ist, ist für einen, der auf der Bühne steht, harte Arbeit. Als Kabarettist muss man immer aktuell sein. Du hast dein Programm fertig, deinen Text gelernt und zack macht dir ein plötzlich aufgetretenes Ereignis einen Strich durch die Rechnung und du musst Textänderungen vornehmen. Mitunter muss das ganz schnell gehen, schließlich will man ja aktuell sein und das Publikum erwartet das ja auch. Ich kenne das aus eigener Erfahrung, denn ich bin auch schon im Kabarett aufgetreten. Es war in Gera im Kabarett Fettnäpfchen. Das ist allerdings schon eine Weile her. Ich ziehe meinen Hut vor Ludger Stratmann, der sein Publikum liebt und das Publikum liebt ihn. Für die Zukunft wünsche ich ihm alles Gute und dass er seinen Ruhestand noch sehr lange genießen kann. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass wir ihn doch nochmal irgendwann auf der Bühne sehen werden. Denn als Künstler geht man niemals so ganz.“ Da zufällig bei der Allgemeinen-Berliner-Zeitung ein „Kind des Kohlenpotts“ tätig ist, sagen wir dem DOKTOR: „Ludger, lass dich watt! Wänne ma widdar auf de Bühne willss, dann meldeste dich, woll?“
(Text: Volker Neef/Fotos: Dirk Schäfer/Magazin ESSENZ)