Die Joachimst(h)aler Straße– Wussten Sie schon?
Die Bundeshauptstadt Berlin mit ihren 12 Bezirken und fast 100 Ortsteilen bietet den Einheimischen und den Gästen eine reiche und buntgemischte Palette an.
Dazu zählen neben verstorbenen und lebenden prominenten, manchmal auch kuriosen Menschen die zahlreichen Gebäude, Straßen, Plätze, Parks, Denkmäler und Seen.
Wir haben für unsere werten Leser das ein oder andere Interessante aus Berlin heraus gegraben bzw. wiederentdeckt und stellen es vor. Heute führt uns der Besuch in den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.
Der im brandenburgische Landkreis Barnim gelegene Ort Joachimsthal hat heutzutage um 3.300 Einwohner und im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist eine Straße nach dem Ort benannt. Diese besagte Straße hat eine Länge von knapp 680 Metern. Sie führt von der Hardenbergstraße am Bahnhof Zoo vorbei, geht an der Kantstraße entlang. Dann führt sie vom Kurfürstendamm über die Lietzenburger Straße bis an die Grenze des Ortsteils Wilmersdorf. In Wilmersdorf weist diese Straße noch eine Länge von 80 Metern auf, sodass die Gesamtlänge 750 Meter beträgt.
Bekannt ist die Straße auch dadurch, das hier der aus den Reihen der SPD stammende und 1871 geborene Reichspräsident Friedrich Ebert am 28. Februar 1925 in einem Sanatorium verstarb. Heute steht an dieser Stelle ein Geschäftshaus. Eine Gedenktafel erinnert an den Prominenten, der hier die letzten Augenblicke seines Lebens verbrachte. Bekannt ist die Straße bis heute auch durch das jüdische Gebetshaus. Die „Zentrale Orthodoxe Synagoge“ befindet sich hier, vor dem Gotteshaus stehen immer bewaffnete Polizeibeamte.
Das ganz außergewöhnliche an dieser Straße war die Schreibweise! Obwohl der Ort Joachimsthal geschrieben wird, war die Berliner Schreibweise bis 2014 Joachimstal, das „h“ fehlte einst. Das besagte „h“ fehlte auch bis 2014 beim „Joachimstaler Platz“, der an der Joachimsthaler Straße liegt und eine Verkehrskanzel beherbergt. Sie steht unter Denkmalschutz heutzuzage.
Seit 1887 trägt diese Straße den Namen und hatte bei Namensgebung das „h“ mit sich geführt. Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, das genaue Datum können selbst Heimatforscher nicht mehr benennen, fehlte das „h“ ganz bewusst.
Hintergrund dieser Korrektur war eine Konferenz von Sprachwissenschaftler der deutschen Sprache, die 1901 stattgefunden hatte. Damals wurde beschlossen, auf ein „t“ solle kein „h“ folgen, somit fehlte fortan das „h“ in der Joachimst(h)aler Straße. Belegt ist, das damals sowohl Geschäftsleute als auch Anwohner gegen die Umbenennung bzw. gegen die Streichung des „h“ sich aussprachen. Die Sprachwissenschaftlerkonferenz 1901 hatte ausdrücklich gesagt: Eigennamen seien von der Streichung „h“ wenn „t“ vorausgeht, nicht betroffen!
Die „Schaperstraße“ mündet von der Joachimsthaler Straße ab und führt zur „Freien Volksbühne“. In einem Hinweisschild unterhalb des Straßenschildes wird der Name Schaper erklärt. Sie erinnert an den ehemaligen Leiter des „Joachimsthalischen Gymnasiums“, Karl Julius Heinrich Schaper. Hier hat also das besagte Joachimsthal das „h“ in der Schreibweise von Anfang an gehabt.
2013 kam Bewegung in diese Angelegenheit. Kommunalpolitiker aus Jochimsthal sprachen beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf vor und baten um Korrektur. 2014 fand dann die Korrektur der Korrektur statt. Auf alten Postkarten aus der Zeit von 1901 bis 2014 findet man immer noch den Aufdruck „Joachimstal“. Wer eventuell noch eine alte Visitenkarte eines Verwandten oder Bekannten in Besitz hat (oder seine eigene), der damals in dieser besagten Straße gewohnt hatte oder seine Praxis, seine Kanzlei oder sein Ladengeschäft war dort angesiedelt, findet auch „Joachimstal“ aufgedruckt. Wir haben für unsere werten Leser natürlich noch ein Straßenschild entdeckt, dass die alte Schreibweise aufführt.
Ob Sie, werte Leserinnen und Leser, nun beim klassischen Brief oder der Postkarte „Joachimstal“ oder „Joachimsthal“ schreiben, ist zweitrangig. Man redet von ein und demselben Ziel. Die Post wird ankommen, wenn die Anschrift des Empfängers stimmt. Zwei Schreibweisen für ein und denselben Namen eines Ortens, zumindest bis 2014. Eine der zahlreichen Berliner Besonderheiten!
Text: Volker Neef
Foto: Frank Pfuhl