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DEKRA: Berlin droht Verkehrsinfarkt und Vision Zero liegt in weiter Ferne

(Foto: Volker Neef)

Am 27. August fand in den Räumen der DEKRA in Berlin-Mitte eine Pressekonferenz statt.

Mario Schwarz, DEKRA Gebietsleiter Ostdeutschland, konnte keine guten Zahlen den Medienvertretern mitteilen! Musste man 2022 noch 34 Verkehrstote in der Bundeshauptstadt beklagen, waren es zwar 2023 ganz geringfügig weniger Verkehrstote, nämlich 33. Bei der aktuellen Entwicklung im ersten Halbjahr 2024 musste Mario Schwarz bedauerlicherweise Alarm schlagen: „Bei 25 Verkehrstoten laut Polizei alleine in den ersten sechs Monaten dieses Jahres liegt die Vision Zero in Berlin in weiter Ferne, zumal es nach anderen Berechnungen sogar 30 Tote sind“.

(Foto: Volker Neef)

Bei der Vorstellung des Verkehrssicherheitsreportes 2024 forderte er u.a. die Anpassung der Infrastruktur an den rasanten Wandel des Mobilitätsverhaltens. Der Verkehrssicherheitsreport ist dem Thema „Verkehrsräume für Menschen“ gewidmet. „Es ist zwar ausgesprochen erfreulich, dass Berlin mit 9 Verkehrstoten pro 1 Million Einwohner 2023 vor Hamburg und Bremen weiterhin das sicherste Bundesland in Deutschland geblieben ist“, sagte er. Aber die hohe Zahl an Verkehrstoten in diesem Jahr lasse nichts Gutes ahnen. Vor allem besorgt ihn, dass die Gruppe der Fußgänger mit 11 Toten hervorsticht, gefolgt von Radfahrern mit 5 Toten. „Das sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer, die besonders geschützt werden müssen“, erklärte der DEKRA-Sachverständige, der eine zukunftsgerechte Verkehrspolitik forderte. Der Bundesdurchschnitt bei den Verkehrstoten beträgt 34. Am Tabellenende steht Sachsen-Anhalt, dort musste man 59 Verkehrstote beklagen. Was Verkehr bewirkt, teilte der DEKRA-Verkehrsexperte auch mit. Laut der Weltgesundheitsbehörde WHO starben weltweit letztes Jahr 1,2 Millionen Verkehrsteilnehmer. Weltweit gab es 50 Millionen Verletzte im Straßenverkehr. Um das einmal deutlich zu machen an einem anderen Zahlenbeispiel: Spanien hat ca. 47 Millionen Einwohner.

Zu einer zukunftsgerechten Verkehrspolitik gehört laut Mario Schwarz in Berlin neben dem Ausbau des ÖPNV-Angebotes insbesondere die Abarbeitung des Sanierungsstaus bei der Berliner Verkehrsinfrastruktur. Dieser liege nach Angaben von Fachleuten bei weit über zwei Milliarden Euro. „Das, was in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht gemacht wurde, muss schnellsten nachgeholt werden“, so der DEKRA Gebietsleiter. Ansonsten drohe der deutschen Hauptstadt ein Verkehrsinfarkt, der sich nicht zuletzt auch in der Verkehrsunfallstatistik negativ auswirken werde. Gleichzeitig müsse die Infrastruktur an die neuen Mobilitätsgegebenheiten angepasst werden.

Denn mehr denn je steht die Straßeninfrastruktur im Spannungsfeld unterschiedlichster Ansprüche. Hinzu kommt der rasante Wandel im Mobilitätsverhalten. Weiterentwicklungen in den Bereichen Sensorik, Rechnerleistung und Akkukapazität haben neue Mobilitätsformen hervorgebracht oder bisherige revolutioniert. Der Wandel vollzieht sich dabei schneller, als Anpassungen der Infrastruktur möglich sind.

„Angesichts dieser komplexen Herausforderungen sind die sorgfältige Planung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen wichtiger denn je, um Unfälle möglichst ganz zu vermeiden oder zumindest ihre Folgen zu minimieren“, so Mario Schwarz. Die Anforderungen an die Straße sowie den zugehörigen Seitenraum hingen dabei von vielen Parametern ab – etwa vom Zweck der Straße, von der erwarteten Verkehrsstärke und vom Modal Split, also der Nutzung der Straße mit verschiedenen Verkehrsmitteln. Nicht zuletzt spiele es auch eine Rolle, wer die Kosten für Planung, (Um-)Bau und Unterhalt trage. „Aber egal, ob Infrastruktur für den Mischverkehr ausgelegt ist, wie Orts- und Landstraßen, oder ob sie bestimmten Gruppen an Nutzenden vorbehalten ist, wie etwa Fußgängerzonen, Radschnellwege oder Autobahnen: Die Sicherheit muss immer im Fokus stehen“, forderte der DEKRA-Gebietsleiter.

Ein positives Beispiel aus Australien führte er an, nämlich den 1.700 Km langen Bruce-Highway. Er befindet sich im Staat Queensland an der Ostküste. Dieser Highway verläuft von Brisbane im Süden bis nach Cairns im Norden. Im Zeitraum von 2005 bis 2009 musste man auf dem Bruce Highway 22 Tote beklagen. Nach verkehrsgerechten Umbaumaßnahmen starben von 2018 bis 2022 dort 3 Menschen.

Mario Schwarz begrüßte auch, dass Richter in Deutschland Teilnehmer von illegalen Autorennen, bei denen die Raser unbeteiligte Bürger bei Unfällen getötet haben, sich nicht scheuten, den Raser zu „Lebenslänglich“ zu verurteilen. Es sei daran erinnert, dieses Urteil erging beispielsweise an einen Teilnehmer eines illegalen Straßenrennens, der einem Autofahrer am Kudamm die Vorfahrt genommen hatte. Dieser Autofahrer wurde Opfer der Teilnehmer am illegalen Autorennen. Der BGH hatte 2020 den Haupttäter zu „Lebenslänglich“ verurteilt. Der zweite Raser wurde wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt. Wer sich auf ein illegales Autorennen einlässt, so die Juristen, nimmt von Vornherein Unfälle und sogar Tote in Kauf.

(Foto: Volker Neef)

Die DEKRA stellte 10 Forderungen für mehr Verkehrssicherheit auf:

▪     Der immer schnellere Wandel im Bereich der Mobilität erfordert schnelle Reaktionen bei der Infrastrukturgestaltung. Planungszeiträume müssen verkürzt, hinderliche Überreglementierung reduziert werden.

▪     Für eine intakte Straßeninfrastruktur (Neubau, Ausbau und Erhalt) sind ausreichende Mittel für Investitionen bereitzustellen.

▪     Der Auf- und Aufbau einer intelligenten Infrastruktur (Car-to-Infrastructure-Kommunikation) muss forciert werden, um das volle Potenzial von Systemen des automatisierten Fahrens ausschöpfen zu können.

▪     Für vernetzte Fahrzeugtechnologien und hochautomatisiertes Fahren müssen eine zuverlässige Kommunikationsinfrastruktur sowie Standards für die Fahrzeugkommunikation gewährleistet sein.

▪     Auf unfallträchtigen Strecken muss der Ausbau von Abschnitten mit drittem Fahrstreifen im Richtungswechsel forciert werden, um ein sicheres Überholen zu ermöglichen.

▪     An kritischen Streckenabschnitten müssen vermehrt Überholverbote eingeführt und durchgesetzt werden.

▪     Der Seitenraum von Landstraßen sollte wo immer möglich frei von Hindernissen wie Bäumen, Masten etc. sein. Wo dies nicht möglich ist, sind geeignete Schutzeinrichtungen anzubringen.

▪     Eine ausreichende Zahl von gesicherten Querungsstellen für zu Fuß Gehende und Radfahrende ist unverzichtbar.

▪     Kreisverkehrsanlagen können vielerorts den Verkehrsfluss und die Sicherheit erhöhen. Dabei ist unbedingt auf ihre sichere Gestaltung zu achten.

▪     Zur Erhöhung der Akzeptanz und Einhaltung sowie generell zur Bekanntmachung speziell auch neuer Verkehrsvorschriften sollten Verkehrserziehung und Überwachung noch mehr im Fokus stehen. Ergänzende Imagekampagnen können einen wichtigen Beitrag leisten.

Text/Foto: Volker Neef

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