Lars Eidinger (© Frederic Baltier/X-Filme AG)
Lang ist die Liste der Berufsbezeichnungen, die der 1968 in Wuppertal geborene Tom Tykwer aufzählen kann.
Er ist Filmregisseur, Filmkomponist, Filmproduzent und Drehbuchautor. Ihm widerfuhr eine Ehre, die bisher noch kein Regisseur aufweisen kann. Filme von Tom Tykwer durften bis jetzt dreimal die Berlinale eröffnen. In diesem Jahr ist es sein Werk „Das Licht“. Im Jahre 2002 war es der Tykwer-Film „Heaven“ und 2009 der politische Thriller „The international“.
„Das Licht“ läuft in der Sektion BERLINALE SPECIAL. Der Spielfilm hat eine Länge von 162 Minuten.
Nicolette Krebitz (© Frederic Baltier/X-Filme AG)
Eine Hauptrolle hat Lars Eidinger inne. Er war bereits im letzten Jahr bei der Berlinale in dem Spielfilm „Sterben“ zu sehen. In „Das Licht“ spielt er den im bürgerlichen Charlottenburg in einer großen Altbauwohnung lebenden zweifachen Familienvater Tim Engels. Nicolette Krebitz („Wolke unterm Dach“, „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“) ist seine Gattin Milena und Mutter der Zwillinge Frieda (Elke Biesendorfer) und Jon (Julius Gause). Aus einer Beziehung mit einem anderen Mann hat sie noch einen Sohn, den kleinen Dio (Elyas Eldridge).
Mutter und Vater verdienen sehr gut. Allerdings zahlen die Eltern einen hohen Preis! Sie verlieren die Zwillinge aus den Augen. Milena will mit gemeinnützigen Organisationen und deren Spendengeldern Kindertheater in Afrika errichten. Ständig pendelt sie zwischen Europa und Afrika. Fährt sie mit dem Taxi nach Hause oder in ihr Hotel in Afrika, hängt sie ununterbrochen am Handy. Parlamentarier, Beamte, Leiter von Organisationen müssen ständig bewegt werden, die finanzielle Unterstützung nicht einzustellen. Ist sie mal, was selten der Fall ist, in Charlottenburg und kocht, telefoniert sie auch ständig während des Kochens. Tim ist als Dozent tätig und seine Tochter macht ihm den Vorwurf, er sieht mit seinen langen Haaren und den Bartstoppeln aus wie ein linker Student. Allerdings hat der „Student“ vergessen, dass er mittlerweile fast 50 Jahre alt ist. Frieda ist noch nicht volljährig. Sie tanzt und kifft mit ihrer Clique von Donnerstag bis Samstag durch. Aufputschmittel sorgen dafür, dass sie nicht schnell müde wird. Als sie ungewollt schwanger wird, entschließt sie sich, das Kind abzutreiben. Ihr Bruder verbringt seine Freizeit mit Computerspielen. Er ist spielsüchtig geworden. Von all dem bekommen die Eltern nichts mit. Die Familie lebt mehr nebeneinander als miteinander. Alles ändert sich, als die aus Syrien stammende Haushälterin Farrah (Tala Al-Deen) in das Leben der Familie Engel tritt. Die geheimnisvolle Frau aus dem Nahen Osten stellt die Welt der Engels auf eine unerwartete Probe und bringt Gefühle zutage, die lange verborgen waren. Dabei verfolgt sie einen ganz eigenen Plan, der das Leben der Familie grundsätzlich verändern wird.
Julius Gause (© Frederic Baltier/X-Filme AG)
Regisseur und Drehbuchautor Tom Tykwer zeigt den Alltag einer deutschen Mittelschichtsfamilie in einer Welt, die sich schnell dreht und ins Wanken geraten ist. Der Film hat religiöse, manchmal auch esoterische Züge. Die Familie will die ganze Welt retten, kauft fair produzierte Produkte, aber alles andere wird ausgeblendet. So bestellt sich Jon ein Essen per Telefon. Bei Dauerregen radelt der Essenslieferant zur Adresse. Der Rider, offensichtlich ein Inder, liefert das Menü aus. Auf der Rückfahrt übersieht er einen LKW und wird beim Unfall schwerverletzt. Wir Westeuropäer lassen die Rider und Köche in den Restaurants, meistens Leute mit Migrationshintergrund, für uns schuften. Ob diese Leute gut und regelmäßig entlohnt werden, interessiert keinen. In der Bibel heißt es ja: „Du siehst den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht“. Natürlich kann man in Afrika ein Kindertheater aufbauen, aber man sollte Zeit haben für seine Kinder! Da bemerken Eltern nicht die ungewollte Schwangerschaft der minderjährigen Tochter und die Spielsucht des Sohnes. Die Augen öffnet ihnen Haushälterin Farrah, damit die Eltern endlich wieder lernen, zwischen Balken und Splitter zu unterscheiden.
Regisseur Tom Tykwer und die Hauptdarsteller Lars Eidinger und Nicolette Krebitz haben ganz großes Kino MADE IN GERMANY dem Premierenpublikum bei der 75. Berlinale geliefert.
Text: Volker Neef
Foto: (© Frederic Baltier/X-Filme AG)