Wie wir bereits am 11.12. berichtet hatten, tritt Sören Henschel (23) als Direktkandidat für die FDP im Wahlkreis Berlin-Lichtenberg bei der Bundestagswahl 2025 an. Wir sprachen mit dem Liberalen.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Hand aufs Herz: Haben Ihre Verwandten und Freunde nicht mit den Augen gerollt, als sie von Ihrer Kandidatur erfahren haben? Ein FDP-Politiker möchte in Lichtenberg den Bundestagswahlkreis direkt gewinnen. Seit 2002 gewann Gesine Lötzsch (Die Linke) diesen Wahlkreis direkt. 1994 und 1998 gewann diesen Wahlkreis Christa Luft von der PDS. Den roten Wahlkreis Lichtenberg wollen Sie erobern? Kommen Sie sich nicht ein bisschen wie Don Quichote vor, der vergebens gegen die zahlreichen Windmühlenflügel gekämpft hatte?
Sören Henschel: „Es wäre vermessen, sich selbst für den ersten Liberalen seit Genscher zu halten, der ein Bundestagsdirektmandat gewinnt. Selbstverständlich kämpfe ich für ein starkes Ergebnis und freue mich über jeden Bürger, der mir sein Vertrauen schenkt, aber natürlich ist mir bewusst, dass meine Chance, Lichtenberg im nächsten Bundestag zu vertreten, euphemistisch ausgedrückt, überschaubar ist. Nichtsdestoweniger will ich die starke und laute Stimme für die Freiheit sein, die hier so nötig ist wie in kaum einem anderen Berliner Bezirk.
Was Freunde und Familie angeht: Die freuen sich in erster Linie darüber, dass ich mich politisch engagiere und sind im Zweifel vielleicht sogar froh darüber, dass aus mir kein Berufspolitiker wird – schließlich hat das Leben auch 10.000 andere schöne Dinge zu bieten, die bei 60-80-Stunden-Wochen sicherlich zu kurz kämen“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Was hat Sie konkret bewogen, zu kandidieren und sich den großen Stress aufzuladen? Wenn man realistisch es betrachten: Die Chancen auf das Direktmandat stehen nicht allzu gut. Einen der vorderen Plätze auf der Landesliste der FDP werden Sie nicht bekommen. Also da darf man doch erst recht nachfragen, warum tun Sie das? Haben Sie Langeweile?
Sören Henschel: „Die Europawahl haben AfD und BSW hier in Lichtenberg klar gewonnen und rechnen sich auch bei der Bundestagswahl gute Chancen im Bezirk aus. Das sind hochgradig illiberale Parteien, die mit unserem westlichen Freiheitsverständnis nichts anfangen können, in Teilen muss man sie als Vasallen Putins charakterisieren. Denen will ich entschieden entgegentreten. Lichtenberg braucht eine liberale Stimme, die sich lautstark für Weltoffenheit, Freiheit, Bürgerrechte und eine kluge Wirtschaftspolitik einsetzt. Gerade weil wir hier als Liberale einen schweren Stand haben, ist unser politisches Engagement umso wichtiger. Das Feld den Populisten zu überlassen ist keine Option.
Von Langeweile kann dabei keine Rede sein, manchmal wünsche ich mir mehr davon. Parallel zur Bundestagskandidatur schreibe ich meine Bachelorarbeit. Wenn man dann neben einem Teilzeitjob auch noch ein Sozialleben aufrechterhalten will, kann es sehr eng werden. Aber ich möchte mich nicht beklagen, schließlich hat mich niemand zur Kandidatur gezwungen“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Angenommen, Sie schaffen es doch mit dem Direktmandat. Was hat eigentlich die Lichtenberger Bevölkerung davon, dass ein Liberaler deren Interessen im Deutschen Bundestag vertritt?
Sören Henschel: „Man wird schließlich noch träumen dürfen“ (lacht).
„Lichtenberg hat jede Menge Potenzial, das nur darauf wartet, gehoben zu werden. Beispielsweise könnte hier ein echter Startup-Hub entstehen, die Standortbedingungen stimmen. Wir haben schließlich auch Industrie im Bezirk, mit der sich sicher Synergien schaffen ließen. Dafür müssen aber die Standortbedingungen attraktiver werden – in Lichtenberg wie im Rest des Landes. Wenn wir weiter wettbewerbsfähig sein wollen, können wir uns so hohe Unternehmenssteuern schlicht nicht leisten – und unseren Bürokratiedschungel erst recht nicht.
Außerdem: Die Mieten steigen auch hier in Lichtenberg und stellen eine große Belastung für unsere Bürger dar. Wir Freie Demokraten wollen das Bauen neuer Wohnungen erleichtern, indem wir Planungs- und Genehmigungsverfahren gehörig beschleunigen. Bedenken wollen wir im Zweifel hintenanstellen. Nur wenn schnell ausreichend neuer Wohnraum entsteht, können sich die Mieten stabilisieren. Populistische Instrumente wie ein Mietendeckel verknappen das Angebot an Wohnraum und sind volkwirtschaftlicher Irrsinn.
Auch für die potenziellen Eigentümer wollen wir etwas tun. Seit Jahren versuchen wir Freie Demokraten beispielsweise die Grunderwerbssteuer für die erste selbstgenutzte Immobilie auszusetzen. Für viele junge Familien, die nach Lichtenberg ziehen und sich hier eine Zukunft aufbauen wollen, wäre das eine große Entlastung und würde vielen den Weg in die eigenen vier Wände gehörig erleichtern.
Zusätzlich würde ich mich dafür einsetzen, endlich mit der seit drei Jahrzehnten geplanten Tangentialverbindung Ost voranzukommen. Nichts würde den Verkehr in Lichtenberg so sehr entlasten. Jeder, der über die Treskowallee zur Arbeit oder nach Hause fährt, kann ein Lied von der katastrophalen und für Radfahrer brandgefährlichen Verkehrslage singen“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Sollte einer unserer werten Leser eine Nachfrage haben, wie kann man mit Ihnen in Kontakt treten?
Sören Henschel: „Gern kann man mich per Mail unter
Soeren.Henschel@FDP-Lichtenberg.de
kontaktieren oder an einem unserer Wahlkampfstände vorbeischauen. Näheres zu meiner Person und meinen politischen Positionen lässt sich außerdem über die sozialen Medien erfahren, besonders auf Instagram bin ich aktiv. Username: „soerenhenschel“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Eine private Frage sei gestattet. Sie studieren, sie sind politisch sehr aktiv. Bleibt da eigentlich noch Zeit für ein Hobby? Wenn ja, was machen Sie in Ihrer sicherlich sehr knappen Freizeit?
Sören Henschel: „Interessen habe ich viele, aber Sie haben recht, viel Zeit bleibt nicht. Ich habe Freude am Krafttraining im Fitnessstudio, lese gern und bin ein nicht gänzlich untalentierter Fußballer – aber die Politik, ob in der FDP oder bei den Jungen Liberalen, vereinnahmt den Großteil meiner freien Zeit“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Vielen Dank für das Gespräch.
Text: Volker Neef
Foto: Caroline Ommer; Christoph Altenhof