Am närrischen 11.11. stellte man im „korrespondenten.cafe“ in Berlin-Mitte eine Studie über neue Russland-Sanktionen vor.
Dazu konnte der Journalist und Buchautor Ewald König den zahlreichen Medienvertretern drei Gäste mit russischer Nationalität präsentieren. Es waren dies Dmitry GUDKOV, Gründer von CASE, ehemaliger Parlamentsabgeordneter und einer der wichtigsten Führer der russischen Opposition sowie Dmitri NEKRASSOW, ehemaliger Berater in der Regierung von Präsident Medwedew und Sergey ALEKSASHENKO, ehemaliger stv. Vorsitzender der Russischen Zentralbank. Zur Wahrheit gehört auch: Keiner der drei Gäste lebt in Russland. Beim Betreten von russischem Boden würden sie sofort verhaftet werden.
Am 12. November haben die drei Gäste aus Russland dem Auswärtigen Amt diese Studie vorgestellt. Im „korrespondenten.cafe“ in Berlin-Mitte konnten die Medienvertreter diese Studie bereits vorher einsehen. CASE steht für Center for Analysis and Strategies in Europe. Es wurde gegründet von prowestlichen Russen, ist ein unabhängiger Think Tank für Russlandstudien und Expertenanalysen zu den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in den postsowjetischen Ländern und in der russischen Diaspora.
CASE ging aktuell den Fragen nach: Wie kann das europäische Sanktionsregime gegen Russland optimiert und gleichzeitig der wirtschaftliche Schaden für den Westen reduziert werden? Wie lässt sich der Druck auf das russische Regime aufrechterhalten und gleichzeitig die wirtschaftliche Belastung der EU-Volkswirtschaften minimieren?
Die Studie von CASE zeigt die aktuelle Lage der russischen Wirtschaft, die Wirksamkeit der westlichen Sanktionen sowie Strategien für deren Modernisierung. Sie stellt viele gängige Meinungen in Frage. Die wichtigsten Aussagen: Die Auswirkungen der Sanktionen werden überschätzt. Eine Wirtschaftskrise in Russland in den nächsten zwei bis drei Jahren ist entgegen allen Behauptungen unwahrscheinlich. Die westlichen Sanktionen müssen neu überarbeitet werden.
Volkswirtschaftlich betrachtet schafft ein Krieg zahlreiche Arbeitsplätze. Die Rüstungsindustrie fährt auf Hochkonjunktur, rund um die Uhr produziert man Waffen, Munition, Panzer, Militärfahrzeuge u.v.a.
Industriebetriebe, die nicht primär auf Kriegsproduktion eingestellt waren, produzieren nun für das kriegsführende Land. So produzieren z. B. Werften, die einst nur Passagier- und Handelsschiffe vom Stapel laufen ließen, nun U-Boote, Kreuzer, Schlachtschiffe, Minensuchboote. Die Pharmaindustrie erlebt aufgrund des Krieges auch eine Hochkonjunktur. Die Nachfrage nach Verbandmaterialien, Schmerzmitteln, Depressiva etc. steigt enorm an. Hersteller von Rollstühlen, Bandagen, Plastikarmen, Kunstglasaugen sind aufgrund zahlreicher Kriegsverletzter voll ausgelastet. Hersteller von Uniformen, Militärstiefeln, Militärgerät wie Essgeschirr, Armeetaschenlampen etc. stellen Tag und Nacht ihre Produkte her. In der IT-Industrie herrscht aufgrund des Kriegszustands auch Hochkonjunktur.
In Ländern, die sich im Krieg befinden (Voraussetzung, dort herrscht freie Marktwirtschaft) ist auch folgendes Phänomen zu beobachten: Mitarbeiter aus schlecht bezahlten Berufen wie Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Gastronomie, Einzel- und Großhandel heuern in Fabriken, die Kriegswaffen herstellen, als Hilfskräfte an und verdienen dort bedeutend mehr als im alten Job. Die Betriebe der Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Gastronomie, Einzel- und Großhandel können mit den hohen Gehältern der Kriegsfabriken nicht mithalten und müssen ihre Produktionen bzw. das Anbieten von Dienstleistungen aufgrund Personalausdünnung zurückfahren.
All das kann man aktuell in Russland beobachten. Zu beobachten ist auch, dass Herr Putin wohl recht fest im Sattel sitzt. Die Zahl seiner Unterstützer dürfte die Zahl seiner Gegner bei weitem übersteigen.
Der Krieg, mitten in Europa, hat demnächst ein trauriges Jubiläum. Er kann auf 1.000 Tage Schrecken und Leid verweisen. Das kürzlich stattgefundene Telefonat zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und Vladimir Putin sowie der Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident im Januar 2025 sprechen dafür, dass eventuell Diplomaten das Zepter übernehmen und Militärs sich den Diplomaten unterordnen müssen.
Ob nach einem Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland, wie immer er auch aussehen mag und wann immer er zustande kommen wird, Dmitry GUDKOV, Dmitri NEKRASSOW sowie Sergey ALEKSASHENKO problemlos wieder ihre russische Heimat betreten dürfen, bleibt abzuwarten.
Text/Foto: Volker Neef