Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin ist die Dachorganisation der Versicherer in Deutschland. Gegenüber Parlament, Regierung und Öffentlichkeit – national wie auf europäischer Ebene – vertritt er die Interessen einer spannenden, leistungsfähigen und vielfältigen Branche. Das zeigen zum einen die rund 470 Mitglieder, zu denen international agierende Player genauso gehören wie lokal verwurzelte Unternehmen, Vollversicherer wie Spezialanbieter, Hunderte Jahre alte Traditionsfirmen ebenso wie junge Insurtechs.
Am 4. Juli konnte in Berlin-Kreuzberg Dr. Norbert Rollinger, Präsident des GDV, zahlreiche Mitglieder, politisch Verantwortliche und Medienvertreter begrüßen. Der Tag stand unter dem Motto „GDV-Konferenz Versicherungsregulierung“.
Am Anfang seiner Ausführungen erinnerte Norbert Rollinger daran, dass man vor 35 Jahren noch nicht von einer Uferseite der Spree zur anderen gelangen konnte. Es gab die DDR, die zum Warschauer Pakt und zum „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ gehörte. Die Souveränität Westberlins wurde von den drei Schutzmächten Frankreich, USA und Großbritannien abgesichert. Westberlin war Bestandteil der EU. Norbert Rollinger sprach auch an, dass hier Menschen erschossen worden sind, nur weil sie von Ostberlin nach Westberlin fliehen wollten. Er sagte auch: „Die Deutschen Versicherer stehen fest an der Seite der proeuropäischen Kräfte“. Er betonte: „Niemand will wieder in Europa trennende Zäune haben“.
Schwerpunktthemen waren der Fachkräftemangel, die Kapitalmarktunion und der Bürokratieabbau. Heiko Thoms, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, sagte vor den Zuhörern offen und ehrlich: „Man kann nicht alle Wünsche erfüllen“. Es sei für die Politik aber immer so, man werde dem „GDV zuhören, sich austauschen“.
Die Verantwortlichen und Mitglieder des GDV forderten eine zweijährige Regulierungs-Pause. Die Versicherer leiden wie viele andere Branchen unter steigenden Berichtspflichten. GDV-Vertreter machten sich für ein Moratorium stark und die Politik äußerte dafür sogar Verständnis.
„Wir wünschen uns ein zweijähriges Belastungsmoratorium“, sagte Norbert Rollinger. Politik und Regulierer sollten die Zeit nutzen, um die Auswirkungen der bestehenden Vorschriften zu überprüfen, deren Umfang in jüngster Zeit deutlich zugenommen habe. „Allein im Bereich der Finanz- und Vertriebsregulierung haben die europäischen Gesetzgeber in der abgelaufenen Legislaturperiode über 77 Rechtsakte auf den Weg gebracht, die rund 10.000 Seiten Text umfassen“, nannte er als Beispiel. So wichtig Regulierung für fairen Wettbewerb und den Verbraucherschutz sei, so zeigten sich zunehmend negative Effekte. Überbordende Berichtspflichten würden die Unternehmen von Innovationen ablenken, mittelbar die Produkte verteuern, neuen Anbieter den Markteintritt erschweren und letztlich das Wachstum bremsen, so Norbert Rollinger.
Auch Monika Köstlin, Chefin der Kieler Rück, kritisierte das Ausmaß der Regulierung. Vor allem für kleinere Versicherer mit ihren begrenzten Ressourcen seien die regulatorischen Anforderungen inzwischen kaum noch zu leisten. „Die Überforderung ist deutlich.“ So habe auch ihr Unternehmen strategische Projekte zurückstellen müssen, um die Regulatorik erfüllen zu können, sagte sie.
Christoph Jurecka ist Chief Financial Officer der Munich Re. Er sprach ebenfalls den hohen regulatorischen Aufwand an. Dieser ist nicht nur ein Problem für die Unternehmen. Das daraus resultierende schwache Wachstum habe auch gesellschaftliche Sprengkraft, betonte Christoph Jurecka. Wenn das Aufstiegsversprechen nicht mehr gelte, würden Frust und Verteilungskämpfe zunehmen. „Wachstumsschwäche ist Wasser auf die Mühlen der Populisten“, so Christoph Jurecka.
Regelrecht wohltuend waren da die Worte von Alexandra Jour-Schröder, Generaldirektorin der EU-Kommission. „Wir brauchen ein Programm zur Stärkung der langfristigen Innovationsfähigkeit in Europa“, sagte sie. Dazu will die EU die Kapitalmarktunion vertiefen. Dies wird laut Alexandra Jour-Schröder auch Maßnahmen beinhalten, die den Verwaltungsaufwand für Unternehmen verringern.
Zu den Referenten zählten u. a. auch die Bundestagsabgeordneten Tilman Kuban (CDU) und Esra-Leon Limbacher (SPD). Beide Parlamentarier wollen den Bürokratieabbau in Angriff nehmen, sagten sie den GDV-Vertretern zu. Der SPD-Politiker Esra-Leon Limbacher machte an einem Beispiel deutlich, wie es laufen sollte: „Alle hier Anwesenden haben schon einmal von dem einst höchsten Gebäude der Welt, dem Empire State Building in New York, gehört. Was kaum einer weiß, von der Fertigung bis zur Eröffnung des Wolkenkratzers mit seinen 381 Metern hat es ganze 13 Monate gedauert“.
Au Backe, wenn wir in Deutschland da an den seit 1988 geplanten Bahnhof „Stuttgart 21“, der immer noch auf seine Eröffnung wartet und an die für 2012 geplante Eröffnung des Flughafens BER denken, die aber erst im Oktober 2020 erfolgt ist……..Man muss nicht darüber diskutieren, dass wir, nicht nur im Versicherungssektor, zu viel Bürokratie von Vater Staat aufgebürdet bekommen haben im Laufe der Jahre. Man muss darüber sich unterhalten, wie man dieses Bürokratiemonster zurechtstutzt auf das kleinste erforderliche Ausmaß.
Text: Volker Neef
Fotos: Volker Neef; (© Christian Kruppa/GDV)