Der ehemalige SPD-Politiker Mathias Brodkorb legte im März 2024 ein höchst wichtiges Buch über die Rolle des Verfassungsschutzes vor.
Brodkorb war von 1993 bis 1997 Mitglied der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Das führte ihn zu einem Philosophiestudium, das er im Jahre 2005 abschloss. Im Verlaufe dessen entfremdete er sich dem Kommunismus in immer stärkerem Maße. Im Jahre 1997 trat er in die SPD ein und machte in der Landespolitik Mecklenburg-Vorpommern Karriere. Von 2011 bis 2016 war er Bildungsminister und von 2016 bis 2019 Finanzminister in Mecklenburg-Vorpommern. Heute ist er Journalist. Er hat Bücher und Aufsätze zur aktuellen Politik publiziert; sein wissenschaftliches Interesse gilt in erster Linie der Erforschung rechtsextremer Ideologien.
Sein neues Buch trägt den Titel: „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat? – Der Verfassungsschutz als Erfüllungsgehilfe der Politik. Sechs Fallstudien“. Es geht Brodkorb darum, die Qualität der Arbeit des Verfassungsschutzes zu untersuchen. Dabei orientiert er sich strikt am Grundgesetz und dessen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht. Auf der Grundlage des NPD-Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2017 zeigt sich, dass verfassungsfeindliches Denken durch das Grundgesetz ausdrücklich gedeckt ist, es darf aber nicht zu einem (aussichtsreichen) Handeln gegen die Verfassungsordnung führen. Seine Analyse der Verfassungsschutzberichte ergibt eine unpräzise Begriffsbildung in diesen Berichten mit der Folge, dass die Behörde ihr Tätigkeitsfeld bis weit in die Mitte der Gesellschaft ausweitet. Da gilt insbesondere für den Begriff „Verschwörungstheorie“, der niemals einer sauberen Klärung zugeführt wurde. Jeder, dessen Argumentation sich nicht im Hauptstrom der politischen Debatte befindet, kann eventuell vom Verfassungsschutz als „Verschwörungstheoretiker“ gebrandmarkt werden.
Brodkorbs Fallstudien betreffen sowohl linke – zwei – wie rechte – vier – Politiker. Es zeigt sich abermals, dass Deutschland die einzige westliche Demokratie ist, bei der bereits der Verdacht des Extremismus zur Überwachung der Bürger durch den Inlandsgeheimdienst führen kann. Nicht nur Handeln, sondern auch Gesinnung wird durch den Verfassungsschutz verfolgt. Bereits der Verdacht extremistischer Gesinnung reicht, um in den Blick des Verfassungsschutzes zu geraten. Dabei fällt der Verfassungsschutz in seinen Berichten Unwerturteile über politische Akteure, die dann in der politischen Debatte „als Ersatzhandlung mobilisiert“ werden. „Legitime Grundrechtsausübung deutet der Geheimdienst schnell in gefährlichen politischen Extremismus um, der dann bekämpft wird“, schreibt Dr. Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Oldenburg, in seinem Geleitwort.
Wem die Demokratie nicht nur als leere Phrase oder als Kampfbegriff gegen politische Gegner, sondern als politische Existenzform wichtig ist, wird aus Brodkorbs Buch wichtige Einsichten über den Zustand unserer Demokratie gewinnen.
Das Buch „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat? Der Verfassungsschutz als Erfüllungsgehilfe der Politik. Sechs Fallstudien“ von Mathias Brodkorb umfasst 250 Seiten, Hardcover. ISBN 9783987370168. Es kostet im deutschen Buchhandel 25 €. Erschienen im Klampen Verlag, Springe, im März 2024.
Text: Gernot Volger
Cover: Klampen Verlag