Die Bundeshauptstadt Berlin mit ihren 12 Bezirken und fast 100 Ortsteilen bietet den Einheimischen und den Gästen eine reiche und buntgemischte Palette an. Dazu zählen neben verstorbenen und lebenden prominenten, manchmal auch kuriosen Menschen, die zahlreichen Gebäude, Straßen, Plätze, Parks, Denkmäler und Seen. Heute führt uns der Besuch in den Ortsteil Charlottenburg im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. An der Dernburgstraße 57 weist ein Schild auf Siegfried Jacobsohn hin, der hier von 1881 bis zu seinem Tod im Jahre 1926 lebte (damals trug das Haus die Nummer 25).
Jacobsohn, geboren 1881 und jüdischer Herkunft, war Journalist, Liebhaber des Theaters und Theaterkritiker. Im Jahre 1905 gründete er die Wochenzeitung (in Heftform) „Die Schaubühne“. Sie brachte nahezu ausschließlich Theaterkritiken, daneben auch Literatur. Das Theater war Jacobsohns Welt, dort kannte er sich aus wie kaum ein zweiter. „Die Schaubühne“ war eine hochintellektuelle Kulturzeitschrift – so gut geschrieben, dass ihre Wirkung weit über eine kleine Gruppe Intellektueller hinausreichte.
Mit seiner Zeitschrift, die er bis zu seinem Tod im Jahre 1926 leitete, avancierte er, neben Alfred Kerr, zum einflussreichsten Theaterkritiker seiner Zeit. Allerdings aus gänzlich anderer Perspektive als dieser. Er liebte Polemiken – langweilig wollte er jedenfalls nie schreiben.
Später, ab 1913, weitete er den Blick und behandelte auch mehr und mehr politische Themen. Folgerichtig benannte er seine Zeitschrift im April 1913 in „Die Weltbühne“ um als eine Wochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft. Sie wurde zu einem pazifistischen Forum der politischen Linken und weithin bekannt. Nach seinem Tod übernahm für eine kurze Zeit Kurt Tucholsky widerwillig die Herausgeberschaft, die dann aber bald auf Carl von Ossietzky überging. Im Jahre 1933 wurde die Zeitschrift von den Nationalsozialisten verboten.
Text: Gernot Volger
Foto: Volker Neef