Die Bundeshauptstadt Berlin mit ihren 12 Bezirken und fast 100 Ortsteilen bietet den Einheimischen und den Gästen eine reiche und buntgemischte Palette an. Dazu zählen neben verstorbenen und lebenden prominenten, manchmal auch kuriosen Menschen, die zahlreichen Gebäude, Straßen, Plätze, Parks, Denkmäler und Seen. Heute führt uns der Besuch in den Ortsteil Wilmersdorf im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.
An der Zähringer Straße 13 erinnert die Wiedergabe eines ganz in Rot gehaltenen Gemäldes von Otto Dix an die Tänzerin und Schauspielerin Anita Berber, die von 1919 bis 1928 in diesem Haus wohnte.
Wild, extrem und intensiv war das kurze Leben der Anita Berber (1899 bis 1928), der Königin der Berliner Bohème der zwanziger Jahre. Schon als Teenager verschrieb sie sich dem Ausdruckstanz, eine sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert etablierende Form der Choreographie. Mit 18 Jahren hatte sie ihren ersten Auftritt. Da sie gegen jede Norm, gegen jede Autorität rebellierte, endete ihr Ausdruckstanz im Nackttanz. Die Trennung zwischen Tanz und Erotik wird aufgehoben. Tänze des Grauens, des Lasters und der Ekstase – so der Titel eines mit ihrem Ehemann Sebastian Droste im Jahre 1923 veröffentlichten Buchs. Später verließ sie ihren Ehemann und lebte mit einer Freundin in einer lesbischen Beziehung. In der damaligen prüden Gesellschaft war öffentliche Nacktheit eine Sensation. Doch war sie keineswegs die einzige bekannte und berühmte Nackttänzerin im Berlin der zehner und zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts.
„Anita Berber – das Gesicht zur grellen Maske erstarrt unter dem schaurigen Gelock der purpurnen Coiffure – tanzt den Koitus“, erinnerte sich später der Literat Klaus Mann, der sie gut kannte.
Berber verkörperte als Tänzerin, Schauspielerin und Fotomodell eine Pop-Ikone ihrer Zeit, als Berlin die Party-Hauptstadt Europas war. Sie lebte die Dekadenz, die sie auf der Bühne darstellte. Alkohol- und Kokain-Exzesse zerstörten ihr kurzes, nur 28 Jahre währendes Leben, dessen Leitmotiv von Jack London entlehnt sein könnte: „Lieber ein prächtiger Meteor, jedes Atom großartig erglühend, als ein schläfriger und dauernder Planet. Des Menschen Bestimmung ist zu leben, nicht zu existieren.“
Im Alter von 29 Jahren verstarb Berber an Tuberkulose im damaligen Bethanien-Krankenhaus in Neukölln, das heute als Kunstquartier genutzt wird. Begraben ist sie auf dem Neuen Friedhof der St.-Thomas-Gemeinde westlich der Hermannstraße in Neukölln, heute Anita-Berber-Park.
Text: Gernot Volger
Foto: Volker Neef