Der Film OLFAS TÖCHTER der tunesischen Filmemacherin Kaouther Ben Hania hat eine Länge von 110 Minuten. Er entstand 2023. Produktionsländer sind Frankreich, Tunesien, Deutschland und Saudi-Arabien. Am 18. Januar begann der Kinostart im Verleih von Rapid Eye Movies.
Der Film erzählt von der Tunesierin Olfa Hamrouni. Große Hoffnungen hegte die alleinerziehende Mutter von 4 Töchtern, als im Dezember 2010 in Tunesien der „Arabische Frühling“ begann. Dieser Protest ist auch als „Arabische Revolution“ in die Geschichte eingegangen. Nach und nach musste Olfa aber erkennen, an ihrer ärmlichen Situation ändern keine Revolution oder Arabischer Frühling etwas. Sinnbildlich dafür eine Szene im Film: Die Töchter haben den Tisch gedeckt. Alle Teller sind leer und bleiben es auch. Mit der Mutter spielen die 4 Kinder „Essen“. Man erzählt sich untereinander, welche köstliche Speise sie gerade in ihrer Fantasie auf dem Teller liegen haben. Die allermeisten Speisen haben sie bisher nicht einmal im Leben probiert, nicht mal nur wenige Krümel davon! Man kennt diese edlen Gerichte aus TV-Seifenopern. Das Geld, so überhaupt vorhanden, reicht für Brot und ab und zu mal Gemüse und Kartoffeln. Fleisch oder Fisch kommen aus Kostengründen nur sehr selten auf den Tisch.
Die Mutter der 4 Töchter erlangte internationale Bekanntheit, als sie die Radikalisierung ihrer beiden Töchter im Teenageralter publik machte. Zwei Töchter, die älteste 15 Jahre jung, hatten die Familie verlassen, um bei der Terrororganisation IS zu kämpfen. Die 15Jährige hatte gleich nach ihrer Ankunft im IS-Lager einen hochrangigen Kommandeur der Terrororganisation geheiratet und kurz danach ist sie Mutter einer Tochter geworden.
Olfa sprach davon: „Der Wolf hat zwei meiner Kinder gefressen“. Diese komplexe Familiengeschichte wird durch intime Interviews und Nachinszenierungen dargestellt. Hierbei verkörpert der ägyptisch-tunesische Schauspielstar Hend Sabri die Rolle der Olfa mit großer Eindringlichkeit und Sensibilität.
Kaouther Ben Hania nimmt mit ihrer zurückhaltend-eleganten Regieführung in OLFAS TÖCHTER die Rolle als sensible wie kraftvolle Porträtistin eines besonderen Ereignisses ihrer Landesgeschichte an. Die intensiv inszenierte Suche Olfas nach den Motiven des Verschwindens ihrer Töchter spiegelt auch die Dimensionen einer tief verwurzelten Wahrnehmung von Frauen in der Historie Tunesiens und die patriarchalen Machtstrukturen dieses Landes wider.
Die zwei Anhängerinnen des IS wurden verhaftet und zu hohen Haftstrafen verurteilt. Außerhalb von Tunesien befinden sie sich im Gefängnis. Einmal lautete das Urteil 13 Jahre Haft, das andere Urteil lautete 16 Jahre Haft. Diese hohe Freiheitsstrafe betraf die damals 15Jährige. Ihr Mann war bei einem Bombenattentat ums Leben gekommen. Das gemeinsame Kind ist mittlerweile 8 Jahre alt.
Olfa war mit ihren zwei Töchtern am 18. Januar bei der Premiere in Berlin zu Gast. An der Premiere hatte auch der Botschafter Tunesiens, S. E. Herr Wacef Chiha und zahlreiche andere Diplomaten teilgenommen.
Mit Tränen in den Augen sagte eine der Töchter von Olfa in Berlin: „Ich möchte meine Schwestern im Gefängnis besuchen. Ich möchte sie in den Arm nehmen. Ich habe meine kleine Nichte noch nie gesehen, noch nie angefasst“.
Die Filmbewertungsstelle FBW hat den Film kürzlich mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichnet.
Text/Foto: Volker Neef