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Benjamin Jendro-Nachgefragt

Pressesprecher Benjamin Jendro mit einem Polizeibeamten in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen (Foto: Volker Neef)

Benjamin Jendro-Nachgefragt

Benjamin Jendro ist als Pressesprecher der „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) tätig.

Wir hatten ja bereits über die Ausstellung „Der Mensch dahinter“ berichtet. Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), hatte diese Ausstellung in der Landesvertretung NRW in Berlin-Tiergarten am 15. Januar eröffnet.

Die Initiative ist gegründet worden, um mehr Respekt und Toleranz für die Menschen in Uniform sichtbar zu machen. Menschen, die sich bei Polizei, Feuerwehr, Ordnungsämtern, im Justizvollzugsdienst, als Zugbegleiter, als Ärzte und medizinisches Fachpersonal in den Notaufnahmestellen oder als Rettungskräfte in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen, erleben bei ihrer Arbeit immer häufiger Situationen, in denen sie von außen angefeindet, abgewertet oder gar tätlich angegriffen werden.

(Foto: Volker Neef)

Benjamin Jendro war am 15. Januar 2024, dem Tag der Ausstellungseröffnung, zu Gast in der Landesvertretung des Landes Nordrhein-Westfalen. Wir sprachen mit Benjamin Jendro.

STIMME-DER-HAUPTSTADT: Bedarf es so einer Ausstellung überhaupt aus Ihrer Sicht?

Benjamin Jendro: „Wir reden mittlerweile darüber, dass allein in der Bundeshauptstadt in jeder Stunde einer unserer Kolleginnen und Kollegen aus der Polizei im Dienst angegriffen wird. Dazu kommt die steigende Zahl an Angriffen auf Beschäftigte der Feuerwehr und anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Die Hemmschwelle, diese Menschen anzugreifen, weil sie den Staat repräsentieren, ist gesunken. Sie sind für nicht wenige der Prellbock, an dem sich gesellschaftliche Probleme und Frust über politische Entscheidungen entlädt. Einen Polizeiobermeister bekomme ich eher als Bundeskanzler Scholz. Am Ende des Tages wird dann wenigstens in einigen Fällen über diese Angriffe geschrieben und gesprochen, aber nicht über die Betroffenen. Hinter ihnen stecken Menschen, Mütter, Väter, Söhne, Töchter, Freunde und Lebensgeschichten. Als Gewerkschaft machen wir seit Langem auf die steigende körperliche, aber auch psychische Gewalt gegen Menschen aus dem öffentlichen Dienst aufmerksam und problematisieren auch die langjährigen Folgen für den Einzelnen, die diese Angriffe mit sich bringen. Wir sind der Initiative, die aus der Mitte der Gesellschaft entstanden ist, sehr dankbar, dass hier etwas ins Leben gerufen hat, das noch einmal ganz andere Perspektiven aufnimmt. Auch deshalb war es für uns keine Frage, das Projekt zu unterstützen und wir hoffen, dass es nachhaltige Wirkung erzeugt“.

STIMME-DER-HAUPTSTADT: So lobenswert diese Initiative und auch diese Ausstellung sind, irgendwann geht die Ausstellung, die in ganz Deutschland gezeigt wird, zu Ende. Der Bürger trifft weiterhin auf Uniformträger. So auf den Mitarbeiter des Ordnungsamtes, der auf einem Kontrollgang ist oder den Fahrkartenkontrolleur im Zug. Wie soll man „Dem Mensch dahinter“ im Alltag begegnen?

Benjamin Jendro: „Zunächst einmal muss diese Ausstellung nicht zu Ende sein. Als GdP Berlin werden wir die Bilder und Geschichten unserer sechs Protagonisten weiterhin zeigen und auch immer wieder auf die Gewalt gegen unsere Kolleginnen und Kollegen hinweisen. Nicht nur, wenn Polizisten wie in Kusel zu Tode kommen oder man am 1. Mai oder Silvester über Dutzende Einsatzkräfte spricht und Politik aufgrund vorhandener Bilder das für Wahlkampf und Sonntagsreden nutzt, sondern dauerhaft und bei jedem Fall, der uns zu Ohren kommt. Damit werden wir ebenso wenig wie die Ausstellung alle Menschen erreichen und auch nicht bei jedem für die Thematik sensibilisieren. Aber was wir brauchen, ist eine gesellschaftliche Ächtung dieser Angriffe, die Beschäftigung mit ihnen und den daraus entstehenden Folgen für diejenigen Menschen, die sich in den Dienst von uns allen stellen und das an 365 Tagen im Jahr. Oftmals werden diese Angriffe still hingenommen, sogar von einigen auch im politischen Raum versucht, sie irgendwie zu rechtfertigen, Verletzungen heruntergespielt, zur Tagesordnung übergegangen. Fakt ist aber, dass zum Beispiel ein Knalltraumata gar nicht so wild klingen mag, aber dadurch die Laufbahn eines Polizeibeamten beendet werden kann. Da reden wir noch nicht mal über stetige Belastungen durch traumatische Erlebnisse, die sich auftürmen und Menschen zerbrechen. Wenn wir wollen, dass auch in Zukunft noch viele Menschen diese Berufe ergreifen, müssen wir mehr für ihren Schutz tun, denn unsere Kolleginnen und Kollegen können sich nicht einfach aus Situationen verabschieden, bei denen alle anderen das Weite suchen können. Das geht über politische Entscheidungen, aber vor allem auch über gesellschaftliche Anerkennung der Herausforderungen und Leistungen, die sie tagtäglich für uns erbringen.“

STIMME-DER-HAUPTSTADT: Vielen Dank für das Gespräch.

Text/Foto: Volker Neef

Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin