Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin, konnte am 12. September in den Räumen der IHK in Charlottenburg Andrea Nahles begrüßen.
Andrea Nahles (53) war von 2013 bis 2017 Bundesarbeitsministerin. SPD-Bundesvorsitzende war sie in der Zeit von April 2018 bis Juni 2019. Von September 2017 bis Juni 2019 führte sie die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag an.
Seit dem 1. August 2022 ist sie nun Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Vor den anwesenden Unternehmern, Kaufleuten, Politikern und Medienvertretern teilte sie widersprüchliche Fakten mit. Natürlich ist die Vorsitzende der BA nicht die Ursache für diese Widersprüche. Die Widersprüche machen zwei Zahlen deutlich. In der Bundeshauptstadt können ca. 90.000 Stellen nicht besetzt werden. Das Wort Fachkräftemangel macht die Runde. Anderseits lag die Zahl der Arbeitslosenquote in der Bundeshauptstadt bei fast 10 Prozent im August.
Für diese Widersprüche gibt es simple Erklärungen! „Seit drei Quartalen sind wir in der Rezession“, so Andrea Nahles. Rund die Hälfte der Arbeitslosen sucht eine Tätigkeit als Helfer, es fehlt die Facharbeiterausbildung. „Wir müssen aber festhalten, nur rund ein Fünftel der offenen Stellen bezieht sich auf eine Helfertätigkeit. Wer eine Berufsausbildung nachweisen kann, steht besser dar“.
Fachkräftezuwanderung klingt gut, ist aber sehr bürokratisch! Das haben viele Anwesende Andrea Nahles mitgeteilt. Ein Anwesender, gebürtig aus Sri Lanka, der im Management eines Besitzers von Seniorenheimen tätig ist, sagte: „Es dauert bis zu 2 Jahren Bearbeitungszeit, ehe eine Ausbildung einer Pflegefachkraft aus den EU-Staaten Bulgarien oder Rumänien in Deutschland anerkannt wird. Von meinem Geburtsland Sri Lanka will ich gar nicht reden. Kommen Pflegekräfte mit vielen Hoffnungen in Deutschland aus Sri Lanka an und sie sehen nach 2 bis 3 Jahren, dass es nicht vorangeht mit den Bescheinigungen aus den deutschen Amtsstuben, wissen Sie, was diese Leute dann machen? Sie sind auf dem Weg nach Kanada oder USA und nehmen da eine Arbeit auf“.
Andrea Nahles gab offen zu, dass sie diese Problematik sehr oft zu hören bekommt. Aktuell kann sie nur mit Politikern reden! „Als Vorstandsvorsitzende der BA kann ich keine Gesetze machen. Im Gegenteil! Meine Behörde, es sei mal angemerkt: die größte in Europa; muss das umsetzen, was die Politik beschlossen hat“. Sie stellte die Frage: „Vielleicht wird es Zeit für eine Agenda 2030?“
Unter den Gästen in der IHK traf man u. a. auch die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses Aldona Niemczyk (CDU), Frank-Christian Hansel (AfD) und Tommy Tabor (AfD) an. Ebenso sah man die ehemaligen Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses, Mirco Dragowski (FDP), Sebastian Czaja (FDP) und Karlheinz Nolte (SPD) sowie den ehemaligen Senator Jürgen Klemann (CDU).
Im Pressegespräch teilte der Parlamentarier Tommy Tabor mit: „Meine Forderungen sind: Umfassende Reformen im Bildungssystem“. Er begründete dies wie folgt:
„Während des Impulsvortrags und einer folgenden Diskussion bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin mit Andrea Nahles, der Chefin der Bundesagentur für Arbeit, wurden drängende Fragen zur aktuellen Situation der Schulbildung in Deutschland aufgeworfen. Insbesondere das Absinken des Bildungsniveaus und die wachsende Unselbstständigkeit bei jungen Erwachsenen standen im Mittelpunkt der Debatte.
Die vorgebrachten Lösungsvorschläge konzentrierten sich vorwiegend auf eine verbesserte individuelle Betreuung in Ausbildung und Studium, um den Bedürfnissen junger Menschen besser gerecht zu werden. Diese Ansätze werden jedoch von mir, dem Bildungsexperten der AfD-Hauptstadtfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, als unzureichend kritisiert. Von meiner Sichtweise aus betrachtet handelt es sich dabei lediglich um eine Behandlung der Symptome, während die eigentlichen Ursachen für Unselbstständigkeit und das schlechte Bildungsniveau unangetastet bleiben.
Ich betone die Notwendigkeit einer grundlegenden Ursachenbekämpfung, die bereits in der Schulzeit beginnen muss! Dabei setze ich auf folgende Schlüsselmaßnahmen:
1. Erweiterung des Wissensvermittlungsprozesses: Ich fordere eine intensivere Vermittlung von Wissen in Schulen, um sicherzustellen, dass Schülerinnen und Schüler über ein solides Grundlagenwissen in verschiedenen Fächern verfügen.
2. Förderung praktischer Erfahrungen: Durch verstärkte Einbindung von Praktika und praktischen Übungen während der Schulzeit sollen junge Menschen frühzeitig praktische Fertigkeiten und Berufserfahrungen sammeln können.
3. Projektarbeit für Alltagskompetenzen: Mein Vorschlag: Projekte in den Lehrplan aufnehmen, die sich mit Alltagskompetenzen wie Haushaltsführung, Finanzplanung und anderen praxisrelevanten Fähigkeiten beschäftigen.
4. Stärkung von Deutsch und MINT-Fächern: Die Förderung von Deutschkenntnissen und MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) soll die Schülerinnen und Schüler besser auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vorbereiten.
5. Förderung von Leistungsbereitschaft: Eine stärkere Betonung von Leistungsbereitschaft und Engagement während der Schulzeit soll die Schülerinnen und Schüler motivieren, ihr Bestes zu geben.
Ferner unterstreiche ich die Dringlichkeit dieser Reformen und appelliere an Bildungseinrichtungen und politische Entscheidungsträger, die Bildungspolitik in Deutschland grundlegend zu überdenken! Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung und die konsequente Bekämpfung der Ursachen kann man die Zukunftsfähigkeit des deutschen Bildungssystems sicherstellen“.
Text/Foto: Volker Neef