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Seine Exzellenz, Herr Chiheb Chaouch im Gespräch

S.E. Herr Chiheb Chaouch (Foto: Volker Neef)

S.E. Herr Chiheb Chaouch (Foto: Volker Neef)

Seine Exzellenz, Herr Chiheb Chaouch, ist Gesandter (Geschäftsträger a. i.) der Republik Tunesien in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sprachen mit ihm.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Exzellenz, was können Sie uns Neues bitte berichten?
S.E. Herr Chiheb Chaouch: „Kürzlich habe ich mit meinem Kollegen, Herrn Botschafter Mohammed Karim Jamoussi gesprochen. Er ist der tunesische Botschafter in Frankreich. Es ging um die Rassismusvorwürfe gegen Tunesien“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Können Sie uns dazu einige Details bitte mitteilen?
S.E. Herr Chiheb Chaouch: „Das kann ich gerne tun. Mein hochgeschätzter Kollege in Paris hat sich für eine bessere Koordination zwischen Europäern und Afrikanern bei der Bekämpfung der irregulären Einwanderung ausgesprochen“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Welche Veranlassung bestand für Ihren Kollegen dazu?
S.E. Herr Chiheb Chaouch: „Herr Botschafter Mohammed Karim Jamoussi hat in Interviews in französischen Medien darauf hingewiesen, dass seit Februar diesen Jahres Tunesien das Ziel einer heftigen und massiven Desinformationskampagne ist. Die Drahtzieher dieser tendenziösen Kampagne behaupten, ohne jede Grundlage, dass es eine offizielle Position der tunesischen Behörden gibt, die auf der Ablehnung und Abschiebung aller ausländischen Migranten mit irregulärem Status beruht. Dies gefolgt von fremdenfeindlichen Praktiken gegen subsaharische Migranten in Tunesien.
Jeder, der Tunesien besucht hat oder Kenntnis von seiner langen und reichen Geschichte hat, kann über diese Unwahrheiten und Lügen, die gegen das tunesische Volk und seine Führung verbreitet werden, nur empört sein. Tunesien ist stolz darauf, seit dem Reich von Karthago eine zivilisatorische Drehscheibe zu sein. Stets hat sich Tunesien durch seinen freundlichen Empfang und seinen tadellosen Schutz von Männern und Frauen aus aller Welt, die in das Land gereist sind, ausgezeichnet. So unterstützte Tunesien 1962 bedingungslos den südafrikanischen Führer Nelson Mandela in seinem Kampf gegen die Rassentrennung. Er hatte sich in Tunesien aufgehalten. Tunesien war einer der Beitragszahler zum Sonderfonds der Vereinten Nationen für den Kampf gegen die Apartheid, der Organisationen finanziell unterstützte, die gegen die Apartheid kämpften. Tunesien hat auch mehrere afrikanische Länder, so beispielsweise Guinea, Angola, Mosambik, Guinea-Bissau und Kap Verde, in ihrem Kampf für die Unabhängigkeit und das Selbstbestimmungsrecht ihrer Völker unterstützt. Diese wenigen Beispiele zeigen deutlich, das unerschütterliche Engagement Tunesiens für die panafrikanische Solidarität. Die Behauptung, die Tunesier sind ihren afrikanischen Brüdern gegenüber rassistisch eingestellt, ist Unsinn. Die tunesische Führung hat die internationale Gemeinschaft immer wieder aufgefordert, Mittel und Wege zu finden, um die Menschenwürde illegaler Migranten ungeachtet ihrer Herkunft zu respektieren. Ebenso ist sie der Meinung, dass die Behandlung illegaler Migranten in der ganzen Welt unmenschlich ist und nicht so bleiben kann. Allerdings sah sich Tunesien in den letzten Jahren mit einem massiven Migrationsstrom konfrontiert. Er führte zu zahlreichen Spannungen auf der Sicherheitsebene, die den sozialen Frieden im Land bedrohten und die Quelle mehrerer Übergriffe waren, darunter der feige Mord an einem jungen Tunesier durch illegale Migranten in der Stadt Sfax. Der tunesische Staat musste seine Sicherheitsvorkehrungen verstärken, um sowohl tunesische Bürger als auch Ausländer und insbesondere irreguläre Migranten aus Subsahara-Afrika zu schützen, die Opfer krimineller Menschenhändlerringe geworden waren. Es wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, um die körperliche und seelische Unversehrtheit dieser Migranten zu schützen und die Unverletzlichkeit ihrer Rechte zu gewährleisten. Dies geschah in Übereinstimmung mit den geltenden tunesischen Gesetzen und internationalen Menschenrechtsabkommen. Vor dem Ausbruch dieser Migrationskrise führte Herr Staatspräsident Kais Saïed mehrere Gespräche und Treffen mit führenden Politikern aus Europa und den Nachbarländern und betonte die Notwendigkeit, die Migrationsfrage im Rahmen eines umfassenden und abgestimmten Ansatzes unter Einbeziehung aller betroffenen Länder und Akteure anzugehen. Er betonte, dass Tunesien zwar bereit ist, dauerhafte Lösungen zu finden, jedoch nicht als Grenzschutz Europas dienen kann, um den Strom illegaler Migranten zu verhindern.
Tunesien kann auch in keiner Weise akzeptieren, ein Umsiedlungsland für Migranten zu werden, die aus Europa zurückgewiesen und abgeschoben werden. Er rief dazu auf, die regionale Zusammenarbeit zwischen den Ländern am südlichen und nördlichen Ufer des Mittelmeers gegen die illegale Migration zu verstärken. Man möge die Informationen austauschen und ihre Bemühungen durch die Einrichtung von Kooperationsmechanismen koordinieren, um eine wirksame Kontrolle der Migrationsströme zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländern ist für die Kontrolle der Migrationsproblematik von entscheidender Bedeutung. Andererseits ruft Tunesien die betroffenen Parteien dazu auf, entschlossene Maßnahmen zu ergreifen, um die Schleusernetze zu zerschlagen, die Menschenhändler und Schleuser vor Gericht zu stellen und die mit diesen kriminellen Aktivitäten verbundenen Vermögenswerte zu beschlagnahmen. Als Antwort auf den Aufruf des Präsidenten der Republik wird am 23. Juli 2023 in Rom ein internationaler Gipfel stattfinden, der alle interessierten Länder an einen Tisch bringen wird. Dort soll eine umfassende, gerechte und faire Lösung gefunden werden, die die Interessen aller betroffenen Parteien berücksichtigt und die geltenden Gesetze und internationalen Konventionen respektiert. Die Zeit für Stigmatisierungen und falsche Behauptungen, die nur den Hass schüren, ist vorbei. Alle Beteiligten müssen dazu beitragen, das Leid der irregulären Migranten zu beenden, indem man ihnen hilft, an eine bessere Zukunft durch ein attraktiveres Lebensumfeld zu glauben. Jede Verzögerung bei der Suche nach dauerhaften Lösungen kann nur ein Anzeichen für das Entstehen eines allgemeinen Chaos sein“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Exzellenz, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Text/Foto: Volker Neef