Obdachlose sagen: Bitte fragen!
Wir hatten ja kürzlich ein Foto gezeigt, wo obdachlose Menschen in Berlin-Mitte in ihren Schlafsäcken zu sehen gewesen sind. Die Wohnungslosen hatten ihren Schlafplatz rein zufällig vor der Pforte eines ehemaligen Hotels gefunden.
Selbst erfahrenen Redakteuren gelingt es nicht leicht, mit obdachlosen Menschen ins Gespräch zu kommen. Ihren wahren Namen, ihren Herkunftsort, ihren beruflichen und privaten Werdegang wollen diese Personen aus verständlichen Gründen nicht jedem Fremden offenbaren.
Das haben wir Medienschaffenden zu respektieren! Am Kurt-Schumacher-Platz in Reinickendorf konnte unser Medium sich kurz mit dem Wohnungslosen Karl-Heinz unterhalten. Er kam 1964 zur Welt. Nach Scheidung und Verlust des Arbeitsplatzes ging es bergab mit ihm. Mehr soll über Karl-Heinz in der Öffentlichkeit nicht gesagt werden. Wichtig ist dem Wohnungslosen aber eines, klare Worte an die „manchmal sehr netten Menschen zu richten. Da meint es einer gut mit mir und bringt einen am Kiosk gekauften Pappbecher Kaffee vorbei. Man will mir etwas Gutes tun, ja, fein. Knapp eine Viertelstunde später kommt noch ein netter Mensch vorbei und hat wieder einen Kaffeebecher für mich in der Hand. Es kann dann durchaus sein, bis zur Mittagszeit um 12 Uhr habe ich 5 oder 6 Kaffee geschenkt bekommen“. Der auf der Straße lebende Karl-Heinz drückt es so aus: „Es ist nett gemeint, uns Obdachlosen einen Kaffee zu spendieren, aber 6 Kaffee allein von frühmorgens bis Mittag machen nicht satt“. Karl-Heinz weiß durchaus, dass sich hilfsbereite Mitbürger scheuen, Bargeld einem Wohnungslosen in die Hand zu drücken. Der Hilfsbereite befürchtet, der Beschenkte kauft sich davon Drogen oder Alkohol oder Zigaretten! Der Obdachlose Karl-Heinz weiß da Rat: „Wir auf der Straße lebenden (Obdachlose sagen dazu „Platte machen“) sind doch keine Monster, wir fressen doch keinen auf! Die hilfsbereiten Menschen, die uns unterstützen möchten, sollen keine Hemmungen haben, einfach einmal nachfragen! Ein konkretes „Was kann ich denn für Sie tun?“ ist willkommen.
Der eine Wohnungslose ist vielleicht über ein Stückchen Seife dankbar, dass eine gutherzige Frau im nahegelegenen Drogeriemarkt kauft und dem auf der Straße lebenden Mitmenschen dann schenkt. Eine obdachlose Frau ist vielleicht für ein Paar Wollsocken in einer bestimmten Größe dankbar. Der gutherzige Mensch kauft die Wollsocken im nahegelegenen Textilkaufhaus. Der alte Spruch „Fragen kostet nichts“ hat durchaus seine Berechtigung“. Karl-Heinz drückt es so aus: „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht! Die netten, hilfsbereiten Menschen, die es zum Glück ja auch gibt, mögen uns einfach einmal fragen, was wir dringend benötigen. Wir beißen doch nicht“.
Recht hat er, der obdachlose Karl-Heinz! Er bat uns um etwas Warmes zu essen und hatte sich über das Berliner Nationalgericht „Pommes mit Currywurst“ sehr gefreut! „Es ist Freitagnachmittag, ich habe zuletzt Dienstag etwas Warmes zu Essen erhalten“.
Text: Volker Neef
Fotos: Volker Neef; Frank Pfuhl