Der brasilianische Sänger Gilberto Gil gastierte im Haus der Kulturen der Welt
Brasilien ist, vielleicht neben den Vereinigten Staaten, das Land mit der vielfältigsten Musik der Welt. Die brasilianische Kultur ist reich an musikalischen Ausdrucksformen. Ursprünglich handelte es sich um Musikfolklore, aus der sich allmählich, mit dem Entstehen von Massenmedien wie Radio und Schallplatte, die brasilianischen Populärmusik (Música popular brasileira).entwickelte. Darin gibt es viele Rhythmen und Stilrichtungen.
Am 5. Juli 2022 gab auf der Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt in der John-Foster-Dulles-Allee in Berlin-Mitte der berühmte brasilianische Sänger Gilberto Gil ein Konzert.
Gilberto Gil ist Sänger, Komponist, und Musikproduzent, der viele Instrumente beherrscht. Er hat die brasilianischen Populärmusik zu einem wichtigen Teil mitgeprägt, In seiner Musik von enormer Spannbreite finden sich Einflüsse aus Rock, brasilianischer Volks- und Populärmusik, afrikanischer Musik, Reggae, Funk und Disco. Gilberto kommt aus Salvador da Bahia, in Brasilien stets zu Bahia abgekürzt. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man Bahia als die Wiege der brasilianischen Musik bezeichnet. Das hängt mit den Schwarzen zusammen, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts als Sklaven aus Afrika zumeist in den tropischen Nordosten Brasilien verbracht wurden, wo sie auf den Zuckerrohrplantagen schuften mussten. Daher ist brasilianische Musik vor allem Rhythmus, und ohne Rhythmusinstrumente keine brasilianische Musik.
Geboren im Jahre 1942 in Bahia als Kind eines Arztes, war er schon als kleines Kind begierig nach Musik; bereits im Alter von 18 Jahren gründete er seine erste Musikgruppe. Er studierte Betriebswirtschaftslehre, doch nach einem knappen Jahr als Kaufmann in einem Großunternehmen gab er diesen Beruf auf und wandte sich ganz der Musik zu. Im Jahre 1968 war er Begründer der musikalischen Bewegung des Tropicalismo (oder der Tropicália), einer musikalischen Erneuerungsbewegung, die einige traditionelle brasilianische Musikstile mit modernen Richtungen wie Rock und Pop verband. Zu jener Zeit herrschte in Brasilien ein Militärregime, das viele künstlerische Betätigungen, wenn sie, wie oftmals der Fall, mit politischem Aktionismus einhergingen, brutal verfolgte. Auch Gilberto landete für einige Monate im Gefängnis. Später lebte er immer wieder auch im Ausland, um der Repression in seinem Lande zu entgehen. All das konnte seinen fast meteorartigen Aufstieg in der brasilianischen Musikszene nicht verlangsamen. Auch seine politischen Aktivitäten führte er fort: von 1969 bis 1973 war er vier Jahre lang gewählter Abgeordneter in der Stadtverordnetenversammlung seiner Heimatstadt Bahia und unter dem der Arbeiterpartei zugehörigen Präsidenten Lula war er ab Januar 2003 fünfeinhalb Jahre lang Kulturminister Brasiliens.
Gilberto hat mehr als 50 Schallplatten und CDs herausgebracht und gehört damit zu den produktivsten brasilianischen Musikern. Seine Musik vereint eine Mischung sehr unterschiedlicher Stilrichtungen. Oftmals trat er in Konzerten auf und immer wieder lancierte er musikalische Projekte. Seit Jahrzehnten ist er einer der wichtigsten Vertreter afro-brasilianischer Musik und Mitbegründer der berühmten großen Karnevalsgruppe Filhos de Gandhy. Für seine Musik bekam viele Preise, darunter den Grammy Latino und den Grammy Award.
Eigentlich handelte es sich um eine Familienshow. Alle Musiker gehörten zu seiner Familie, angefangen mit seiner Tochter Nara, einer Schauspielerin und Begleitsängerin. Ein Dutzend Musiker begleitete Gilberto, darunter vier Gitarristen (unter Einschluss eines ungefähr sechsjährigen Enkels, der zwar begeistert, aber noch nicht ganz sattelfest war), drei Sängerinnen und fünf Musiker an den in der brasilianischen Musik so wichtigen und vielfältigen Rhythmusinstrumenten.
So war es ein echt brasilianisches Konzert: Die Brasilianer, die zahlreich erschienen, waren, tanzten zu Gilbertos Musik, denn brasilianische Populärmusik ist immer auch zum Tanzen geeignet.
Text: Gernot Volger
Foto: Marinete de Souza